Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Staatsgebiet. 749 
ein oder wird durch ein Disziplinarurtheil ausgesprochen. Wenn nämlich gegen 
den Beamten wegen eines gemeinen Delikts auf zeitigen oder dauernden Verlust der 
bürgerlichen Ehrenrechte oder auf Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter 
erkannt wird, hat diese Nebenstrafe den Verlust des bekleideten Amtes von selbst 
zur Folge. Diesem Falle steht nach einzelnen Landesrechten, und zwar in Preußen 
nach § 6 des Disziplinargesetzes für richterliche und nach § 7 desselben Gesetzes für 
nicht-richterliche Beamte die rechtskräftige Verurtheilung des Beamten zu einer 
längeren als einjährigen Freiheitsstrafe gleich. Im Disziplinarverfahren kann die 
Entlassung des Beamten wegen des oben gedachten pflichtwidrigen Verhaltens aus- 
gesprochen werden. Bei einem ex lege eintretenden Verluste des Amtes geht auch 
das Recht unter, die verliehenen Titel und Würden weiter zu führen. Ob dies 
auch in Folge eines Disziplinarerkenntnisses eintritt, ist nach den Landesgesetzen zu 
beurtheilen, da der Eintritt einer solchen Folge einer ausdrücklichen Vorschrift bedarf. 
In Preußen ist in den beiden Disziplinargesetzen § 15 resp. § 16 angeordnet, daß 
die Dienstentlassung den Verlust des Titels von selbst nach sich zieht. 
Lit.: Dernburg, Preußisches Privatrecht. — Förster, Theorie u. Praxis. — Koch, 
Allgemeines OKM. — v. Loltendorfl= Encyklopädie der Rechtswissenschaft. — Schütze, 
Deutsches Strafrecht. — Temme, Lehrbuch des Preußischen Strafrechts. — Meves in 
v. Holtzendorff's Handbuch des Strafrechts. — Entscheidungen des kol. Prauf- OTrib. 
eves. 
Staatsgebiet. (Th. I. S. 1000—1003.) Zu jedem Staate gehört ein S., 
weil ohne ein Land, auf welchem die Staatsangehörigen zusammenwohnen, die den 
Staat erzeugende und durch die Staatsgewalt geordnete Koexistenz der Menschen 
nicht gedacht werden kann: das S. ist die reale Grundlage der staatlichen Gemein- 
schaft. Hieraus ergiebt sich, daß die ungeschmälerte Existenz des Staates von der 
Integrität des S. abhängt, eine Verkleinerung des Letzteren somit eine partielle, eine 
vollständige Abtretung des ganzen S. an einen fremden Staat aber eine totale Ver- 
nichtung des Staates sein würde. Die gänzliche oder theilweise Veräußerung des 
S. widerspricht also den von der Staatsgewalt zu realisirenden Zwecken und muß 
daher den obersten Willensorganen des Staates untersagt sein. Diese aus dem 
Wesen des Staates und der Zweckbestimmung der Staatsgewalt hervorgehende For- 
derung ist denn auch in sämmtlichen Deutschen Verfassungen durch die meistens schon. 
in den Hausgesetzen festgesetzte Bestimmung anerkannt worden, daß das S. untheilbar 
und unveräußerlich sein solle. Nur zum Zwecke einer Grenzregulirung ist meistens 
die Abtretung von Landestheilen, deren Zugehörigkeit zu dem abtretenden Staate 
streitig ist, der Landesregierung erlaubt, nach mehreren Verfassungen jedoch nur nach 
vorher eingeholter Beistimmung der Landstände. Die Abtretung größerer Landes- 
theile in völkerrechtlichen Verträgen widerspricht sonach dem Verfassungssatze von der 
Untheilbarkeit und Unveräußerlichkeit des S. und ist daher, wie auch die Koburg- 
Gothaische Verfassung ausdrücklich anerkennt, eine Verfassungsänderung, zu deren 
staatsrechtlicher Gültigkeit die Beobachtung aller für die Verfassungsänderungen vor- 
geschriebenen Formen nothwendig ist. Das Gleiche ergiebt sich für das Gebiet des 
Deutschen Reiches aus Art. 1 der Reichsverfassung, welcher den Umfang des Bundes- 
gebietes festsetzt und damit für einen Bestandtheil der Reichsverfassung erklärt. Wenn 
jedoch in Folge oder zur Abwehr eines von einem fremden Staate durch kriegerische 
Gewalt herbeigeführten Nothstandes, welcher die Existenz und Wohlfahrt des Reiches 
bedroht, der Kaiser kraft seines Rechts über Krieg und Frieden (val. Reichsverfassung 
Art. 11 Abs. 1) einen Theil des Bundesgebietes abtritt, so ist diese Abtretung trotz 
der in derselben enthaltenen Verfassungsänderung auch ohne Konsens des Bundes- 
rathes und des Reichstages gültig. 
Das S. kommt aber nicht blos als Voraussetzung der Koexistenz der Staats- 
angehörigen in Betracht, sondern überdies als der mit festen Grenzen umschriebene 
Raum, auf welchem allein die Staatsgewalt thätig sein kann und darf: das S. ist 
die räumlich begrenzte Machtsphäre des Staatswillens. Nur die ausdrückliche Er-
	        
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