Polizeitosten. 69
schluß an das Bayer. Straf GB. von 1861 hat das RStraf GB. der P. eine völlig
veränderte Gestalt gegeben. In gewissen genau bezeichneten Fällen kann der Richter
auf Zulässigkeit von P. erkennen (bis höchstens fünf Jahr). Nach Anhörung
der Gefängnißverwaltung kann alsdann die Landespolizeibehörde P. eintreten lassen.
Die Wirkungen der P. sind: Verbot des Aufenthalts an gewissen Orten; Befugniß,
Ausländer aus dem Bundesgebiet zu verweisen; Wegfall der bei Haussuchungen
sonst bestehenden Beschränkungen. Die P. kann jederzeit von der Behörde zurück-
genommen werden (RStraf GB. 8§ 39, 40). Als eine, freilich nicht aufs Gesetz,
sondern lediglich auf der Praxis beruhende Art der P. kann man auch die sitten-
polizeilich über liederliche Dirnen geübte Beaufsichtigung ansehen. Auch giebt das
Nahrungsemittelgesetz vom 14. Mai 1879 der Polizei nach geschehener Verurtheilung
gewisse Aufsichtsrechte über die Geschäftsräume.
Auch England hat nach dem Vorgange der Irischen Gefängnißreform und
im Zusammenhange mit dem Beurlaubungssystem in seiner neuesten Gesetzgebung
die P. eingeführt. Sehr ausführliche Bestimmungen darüber enthält die sog. Habitual
Criminals act 32 und 33 Vict. c. 99. Ausführlich verhandelte darüber der dritte
Italienische Juristentag zu Turin im September 1880.
Lit.: Gouin in der Révue de Iégislation tom. XII. (1840) ff 393. — Chatagnier,
Du renvoi sous la surveillance de la haute police, Par. 18419. — Humbert, Conséquences
des condamnations pénales. — Bertauld, Cours de droit pénal, p. 274. — Trébutien,
I. 245. — Hélie (Nypels), Traité, I. 88 241 ss. — Ortolan,, Eléments de droit pénal,
" 157. — Fremont, La surveillance de la Haute Police d'Etat, de sa suppression et
es inoyens d'y suppléer, Par. 1869. — Renault, Etude sur la loi du 23 Janvier 1874. —
L. Buscon, La surveillance de la haute police, son passé, son présent, son avenir,
Montauban 1878. — Gualtieri Sighele in der Rivista penal IV. 32. — v. Holtzen-
dorff, On Police Supervision, in den Transactions of the Social Science Asscciation,
1861. — Schück, Die Polizeiaufsicht in Preußen, in v. Holtzendorff's Strafrechtsztg.,
1863, S. 436. — Weiß, Straf GB. für das Königreich Bayern, 1863, I. S. 106.
v. Holtzendorff.
Polizeikosten. Wie die Polizei aus der Gerichtsverwaltung, so sind die Kosten
der Polizeiverwaltung aus dem System der Gerichtskosten erwachsen. Die den
Landesherren verliehene Grafengewalt umfaßte nur den obrigkeitlichen Theil des
Gerichtswesens, das „Gerichthalten“ (imperium merum et mixtum), nicht das heutige
Richteramt — die eigentliche Rechtsprechung —, welche im Mittelalter als ein
iudicium parium sich aus den größeren und kleineren Kommunalverbänden nach
Herkommen und Gesetz formirte. Das Gerichthalten, einschließlich der „Friedens-
bewahrung“, erschien deshalb im Mittelalter vorzugsweise als Vermögenslast,
als die einzig dauernde Ausgabe des bürgerlichen Gemeinwesens, im Unterschied von
der zeitweise sehr hohen, aber doch zufälligen Last des Heerbanns. Eben daraus er-
gab sich die naturgemäße Verbindung der Gerichtsverwaltung mit dem Grund-
besitz. Durch die bereitwillige Uebernahme dieser Last erhielt der Großgrundbesitz
allmählich die Stellung erblicher Obrigkeiten, und ebenso wurden die Städte durch
Uebernahme dieser Lasten Herren in ihrem Gebiet, Obrigkeiten ihrer Angehörigen.
Das mittelalterliche, mit einer Naturalwirthschaft verbundene Amtssystem hatte in-
dessen die Folge, daß in den Gebieten der Landesherren die Kosten dieser Verwaltung
die landesherrlichen Einkünfte fortschreitend aufzehrten. Vorzugsweise darauf beruhte
es, daß gegen Ende des Mittelalters die „Gerichtslehne“ nicht mehr blos an Be-
sitzer großer herrschaftlicher Gebiete, sondern an die Besitzer einzelner Ritterhufen
verliehen wurden. Aus der tausendfältigen Verleihung dieser Verwaltung, nament-
lich im Osten Deutschlands, ging der „Patrimonialstaat“ hervor, der in Verbindung
mit den landständischen Verfassungen sich während der Reformationszeit voll entwickelt
und die Bewohner des platten Landes in einen Herrenstand und Unterthänigenstand,
die Bewohner der Städte in ein Aktiv= und Passivbürgerthum geschieden hat.
In dieser Gerichtsverwaltung ist nach wie vor die Friedensbewahrung
enthalten, welche jetzt nach Vorgang der Reichsgesetze als Polizei bezeichnet und,