Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

70 Polizeitosten. 
umfassender als früher, als Pflicht der Obrigkeit „für gute Ordnung und gemeinen 
Wohlstand zu sorgen“ aufgefaßt wird. Reichs= und Landespolizeigesetze erkennen 
es als Pflicht und Recht der Ortsobrigkeiten an, die nachbarliche Ordnung auch 
durch allgemeine Satzungen zu regeln und auf diesem Wege ihre erweiterten Gewalten 
nun auch in die rechtliche Form der „Unterthänigkeit“ auf dem platten Lande, des 
Verhältnisses der „Schutzuverwandten“ in den Städten zu bringen. Die Tragung 
der Gerichts= und P., war und blieb aber die Vorbedingung aller 
werthvollen Herrschaftsrechte. Die Pllast, die sich durch die Vorschriften 
der Reichs= und Landespolizeiordnungen sehr erheblich zu vermehren anfing, blieb 
ein annexum dieser überzahlreichen Stadt= und Gutsobrigkeiten und wurde auch 
durch den Verfall und die Quieszirung der landständischen Verfassungen nicht alterirt. 
Aenderungen in diesem Verhältniß sind allmählich seit den Zeiten der Franz. 
Revolution eingetreten. Im Westen Deutschlands — unter dem Einfluß der Gesetz- 
gebung Frankreichs, des Königreichs Westfalen und anderer Rheinbundstaaten — erloschen 
nicht nur die Patrimonialgerichte, sondern auch das Polizeiamt wurde von dem Großgrund- 
besitzund den Stadtkommunen mehrfach abgelöst, oder doch im Namen des Landesherrn 
verwaltet. Auch die P. wurden zum Theil auf die Staatskasse übernommen; ein 
ansehnlicher Theil indessen als eine „hergebrachte“ Last den Gemeinden belassen. 
Im östlichen Deutschland dagegen war der geschlossene Großgrundbesitz mehr geeignet, 
die patrimoniale Gestalt der Ortsämter beizubehalten. In Preußen hört zwar mit 
dem Jahre 1808 die Patrimonialjustiz der Städte und der Domänenämter auf, die 
Polizei wird in einigen wenigen größeren Städten durch unmittelbare Staatsbeamte 
auf Staatskosten verwaltet, in den übrigen nach den Städteordnungen wenigstens 
als „mittelbares“ Staatsamt behandelt. Es bleibt indessen die Regel, daß auch in 
diesen Städten die Verwaltung durch einen von der Staatsbehörde bestätigten Ge- 
meindebeamten geführt wird und daß die Kosten und Einkünfte der Verwaltung der 
Kommune verbleiben. Auf dem platten Lande sollte nach dem Plan des Freiherrn 
vom Stein (1808) die Gutspolizei aufhören und durch unmittelbar vom König 
ernannte Beamte (womöglich Ehrenbeamte) ersetzt werden. Diese weitergehenden Pläne 
scheiterten zunächst an dem Kostenpunkt in der damaligen Finanznoth des Staats. 
Seit 1812 übernahm die Staatskasse jedoch einen bedeutenden Theil der P. durch 
die Organisation der Gendarmerie, auf deren Thätigkeit die Polizeiordnung des platten 
Landes bis in die neueste Zeit vorzugsweise beruht hat. Allein umsomehr legte nun 
der Großgrundbesitz einen Werth auf die Beibehaltung einer gutsherrlichen Polizei- 
gewalt über seine Dienstleute und bäuerlichen Nachbarn. Die Beibehaltung der 
Patrimonialjustiz und Polizei erschien der nach den Freiheitskriegen herrschenden 
Richtung als ein werthvolles Element einer „ständischen Gliederung“. In dem 
Rahmen dieser Einrichtungen wurden nun in den Jahren 1823—28 die neuen 
Kreis= und Provinzialordnungen Preußens nach den leitenden Ideen des Kronprinzen 
formirt, und ein „Ritter-, Bürger= und Bauerstand“ wiederhergestellt, soweit dies 
nach den Grundsätzen der Stein-Hardenberg'schen Reformgesetzgebung noch mög- 
lich war. 
Die Sturm= und Drangperiode von 1848 war entschlossen, die 
patrimonialen Elemente auch im Polizeiwesen gründlich zu beseitigen. Aber noch 
einmal scheiterte die Ausführung an den Kostenpunkt. Die in Aussicht gestellten 
Aenderungen der Gemeindelasten erweckten eine lebhafte Abneigung der ländlichen Be- 
völkerung gegen die neuen Einrichtungen, auf welche gestützt, die damalige Preußische 
Ministerverwaltung in einer verfassungsmäßig schwer verantwortlichen Weise die 
schon publizirten Kreis= und Gemeindeordnungen sistirte, die Kreis= und Provinzial- 
stände für wiederhergestellt erklärte. Bezüglich der P. hatte das Gesetz über 
die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (5 3) die Bestimmung getroffen, 
daß „die Kosten der örtlichen Polizeiverwaltung von den Gemeinden zu bestreiten“ 
sind. In der nicht erheblichen Zahl von Städten, in welchen die Ortspolizei durch
	        
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