Stammgüter. 773
mobilien, und so verlor sich das Beispruchsrecht der Erben theils ganz, theils ward es
herabgedrückt zu einem, gegenwärtig auch schon mehr und mehr verschwindenden
Näherrecht der Familiengenossen. Nur in gewisser Weise erhielt es sich, wie bemerkt.
bei den S. im weiteren Sinne, zu welchen die bürgerlichen Erbgüter und die
(adeligen) Stammgüter im engeren Sinne zu rechnen sind. Beiden Arten ge-
meinsam war, daß die Güter der Familie erhalten werden sollten, also eben die
Veräußerungsbeschränkung zu Gunsten der Erben, — unterschieden waren sie aber
dadurch, daß diese Beschränkung bei den Erbgütern zu Gunsten der Intestaterben
ohne Unterschied des Geschlechts galt, bei den S. nur zu Gunsten der Söhne, resp.
der Agnaten. Es hing dies zusammen mit dem weiteren Unterschiede, daß die S.
nicht wie die Erbgüter der gemeinen Erbfolge unterlagen, sondern ausschließlich auf
männliche Erben übergingen. Dieses ausschließliche Successionsrecht des Manns-
stammes war dem älteren Stammgutssystem nicht eigenthümlich, es beruht auch
keineswegs auf Gemeinem Deutschen Recht des Mittelalters, sondern hat sich erst seit
dem 14. Jahrhundert als ein besonderes Recht des Adels entwickelt, in dessen In-
teresse es lag, wie die Lehngüter, so auch die Allodialgüter, wenigstens die er-
erbten, ausschließlich den Söhnen zu erhalten und dadurch den Trägern des Namens
und Wappens die Möglichkeit zu gewähren, die politische und soziale Bedeutung der
Familie aufrecht zu erhalten. Dieses Bestreben zeigte sich schon unter der Herrschaft
des einheimischen, äußerte sich aber bewußter und entschiedener seit der Reception
des Römischen Rechts. Hatte früher der hohe Adel dieses Ziel dadurch zu erreichen
gestrebt, daß die Töchter zu einem Verzicht auf die Erbgüter bestimmt wurden, so
wurde jetzt das ausschließliche Erbrecht der männlichen Descendenz in Hausgesetzen
angeordnet, in Familienverträgen anerkannt, oder es wurde wenigstens bestimmt, daß
die ausgesteuerten Töchter auf die Erbgüter verzichten müßten. Ebenso wurde es
bei der Reichsritterschaft zu einer in deren Statuten gesicherten Observanz, daß die
Töchter bis auf den ledigen Anfall zu verzichten hätten. Der landsässige Adel end-
lich suchte die S. den Söhnen dadurch zu erhalten, daß die Töchter zu freiwilligen
Verzichten veranlaßt wurden; häufig sprachen aber auch die Landesgesetze die Aus-
schließung der Weiber von der Succession in alle adeligen S. aus, und nicht selten
ward derselbe Grundsatz gewohnheitsrechtlich anerkannt. Bei den S. des hohen
Adels und der Reichsritterschaft beruhte also die Ausschließung der Weiber auf ver-
pflichtenden Hausgesetzen und statutarischen Festsetzungen, bei denen des niederen
Adels aber nur zum Theil auf Landesgesetzen; wo es an solchen Landesgesetzen oder
unstreitigen Gewohnheitsrechten fehlte, waren Erbverzichte der Töchter schlechterdings
nöthig, um dem Mannsstamme die Erbfolge zu sichern. Indem aber die Töchter
observanzmäßig verpflichtet wurden, einen solchen Verzicht zu leisten, gelangte man
dahin, diesen Verzicht auch bei den Gütern des niederen Adels als einen sachlich
überflüssigen zu erachten: — die Ausschließung der Weiber ward zu einer bei allen
Arten von S. geltenden Rechtsnorm. Daß dessenungeachtet noch sehr häufig aus-
drückliche Erbverzichte gefordert wurden, geschah aus besonderen Gründen, welche
Beseler (Erbverträge, III. 278) nachgewiesen hat.
Städtische Erbgüter finden sich im modernen Recht nicht mehr anerkannt, wol
aber die adeligen ererbten S., überwiegend freilich in den Kreisen des hohen Adels
und der ehemaligen Reichsritterschaft, aber partikulär doch auch noch hier und da
für den niederen Adel. Man wird sagen können, S. im eigentlichen Sinne seien
solche Güter des hohen und niederen Adels, welche ausschließlich auf männliche
Erben übergehen und bei welchen der jedesmalige Eigenthümer in Beziehung auf
Veräußerungen beschränkt ist durch die Rechte des nächsten Erben oder der Agnaten.
Aber eine bestimmte Reihe gemeinrechtlich geltender Rechtsnormen für die S. läßt
sich nicht aufstellen. Wieweit insbesondere die obenerwähnten Beschränkungen reichen,
hängt von den rechtlichen Bestimmungen ab, die überhaupt für das betreffende Gut
maßgebend sind; nach denselben Rechtsnormen ist auch zu beurtheilen, welche Arten