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Regeln gelten für Bayern. Die Oesterr. StrafP O. handelt ausführlich vom
standgerichtlichen Verfahren. Der Minister des Innern und der der Justiz konkur-
riren bei der Anordnung des Standrechts in gewissen Fällen.
In England werden die Funktionen des S. durch Courts martial ausgeübt,
deren Einsetzung auf besondere Ermächtigung der Krone durch die vom Parlament
zu beschließende Mutiny act beruht. Man unterscheidet dort einen General court
martial, aus nicht weniger als 13 Offizieren bestehend, mit der Befugniß, auf die
schwersten Strafen (Todesstrafe — Penal servitude) zu erkennen; einen District
oder Garrison court martial, mit einer Besetzung von 7 Offizieren, ohne Kompetenz
gegen Offiziere und ohne Befugniß, die schwersten Strafen zu verhängen; einen Re-
gimental oder Detachment court martial, mit 5, im Nothfall 3 Offizieren besetzt,
mit der Befugniß, auf Körper= und Freiheitsstrafen zu erkennen. Ein Detachment
general court martial für im Auslande stehende Truppen kann auch über Vergehen
der Truppen gegen Bewohner eines fremden Landes erkennen. Für die Marine gelten
besondere, im Ganzen aber ähnliche Bestimmungen.
Welche Personen als zum Heere gehörig anzusehen und deswegen den Kriegs-
gesetzen und S. zu unterwerfen sind, richtet sich nach der Heeresverfassung der ein-
zelnen Staaten.
Quellen: Außer der Mil. Straf Ger-Ordn. Kab.O. v. 21. Sept. 1820, 27. April 1837,
9. Dezember 1835. — Bayern, StrafE#B. v. 1813, Art. 441—456; ffür die rechtsrhein.
Gebiete) Art. 3 Ziffer 12 des Auss. Ges. zum Rtraf#m-. — Oesterreich, Straf PO. v.
1873, §§ 429 ff. — England, 25. u. 26. Vict. cap. 65.
Lit.: Fleck, Kommentar über das Straf GB. für das Preuß. Heer, II. Theil 1870. —
Ueber das Glecg Komn Laurentius, Von den Kriegsjahren der alten Deutschen, 1753.—
Frccins, Geschichte des Deutschen, insbef. des Preuß. Kriegsrechts, 1849. — Budder in
v. Holtzendorff' 8 Allg. Deutscher Strafrechtsz. 1870, Heft 9—11. — Frankreich: Cham-
poudry, Manuel des Tribunaux des armées de terre et de mer, 1878. — Ueber England:
Fe eist, Englisches Verwaltungsrecht, S. 963, 1053, 1072. —Simmons, On Courts martial. —
Thring, Criminal Law of the Navy. v. Holtzendorff.
Standschaft (Thl. I. S. 859). Zu den Zeiten des Deutschen Reichs gab
es eine dreifache S.: Reichs S., Kreis S., Land S.
Reichs S. bedeutet Sitz und Stimme auf den Reichstagen. Dieselbe stand zu
den geistlichen und weltlichen Fürsten (Bischöfen, Aebten, Fürsten, Grafen und
Herren, vorausgesetzt, daß sie nicht selbst der Herrschaft eines Anderen unterworfen
waren). Auch den Reichsstädten gebührte seit dem späteren Mittelalter die Reichs S.,
welche sie durch Mitglieder ihres Rathes ausüben ließen. Seit dem J.R.A. von
1654 wurde zum Erwerb der Reichs S. außer der kaiserlichen Verleihung und dem
Besitz einer reichsunmittelbaren Herrschaft noch vorausgesetzt die Kooptation seitens
des Kurfürstenkollegiums, sowie des Kollegiums und der Bank, in welche der Be-
treffende aufgenommen werden sollte. Die Reichs S. setzt eine dingliche Unterlage,
reichsunmittelbaren Länderbesitz voraus. Die Folge davon war, daß bei einer Thei-
lung des Territoriums allen Theilhabern zusammen nur Eine Stimme zustand, der
Inhaber mehrerer Territorien dagegen auch mehrere Stimmen führte. Doch galt
dieses Prinzip nur in den letzten Zeiten des Reichs; bis in das 17. Jahrhundert
hinein hatte der entgegengesetzte Grundsatz gegolten, waren die Stimmen persönlich.
Die Reichs S. ging unter durch Reichsacht, durch Mediatisirung (Unterwerfung unter
einen Mitstand), wennschon einige Familien trotz der Mediatisirung sich im Besitz
der Reichs S. behaupteten, durch Verlust des Territoriums, auf welchem die Reichs S.
ruhte. Auf den Erwerber eines solchen Territoriums ging an und für sich die
Reichs S. nicht über.
Unter Kreis S. versteht man Sitz und Stimme auf den Kreistagen, den Ver-
sammlungen der Territorialherren innerhalb der einzelnen Kreise, in welche das
Deutsche Reich seit dem Jahre 1500 getheilt war. Die Kompetenz der Kreistage,
welche anfänglich die Polizei zu handhaben und die Erkenntnisse der Reichsgerichte
zu vollstrecken hatten, wurde später auch auf andere gemeinsame Angelegenheiten