Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

Statutarische Erbportion. 779 
vermochten die in den Deutschen Partikularrechten anerkannten Erbansprüche des über- 
lebenden Ehegatten vielfach selbst dort nicht zu verdrängen, wo im Uebrigen die reine 
Römische Erbfolgeordnung angenommen wurde. So war für jenen, das gemeine Erb- 
recht durchbrechenden partikularrechtlichen Erbantheil schon in der Doktrin des 
17. Jahrhunderts die Bezeichnung als S. E. in Gebrauch, eine Bezeichnung, die 
um so passender erscheinen mußte, als die S. E. durchaus den Charakter eines 
außerordentlichen Erbrechtes trägt und neben der (vertragsmäßigen, letztwilligen oder 
gesetzlichen) Erbfolge in das übrige Vermögen des verstorbenen Ehegatten selbständig 
einhergeht; höchstens zeigt sich hier und da in Bezug auf den Umfang der S. E. 
eine Verschiedenheit je nach der Stellung des konkurrirenden Erben. Das Vor- 
handensein eines solchen konkurrirenden Erben gehört zum Wesen der S. E., das 
Universalerbrecht der Ehegatten, auch wo es günstiger als im Römischen Recht ge- 
ordnet ist, fällt nicht unter diesen Begriff. Ist der überlebende Ehegatte ein Bluts- 
verwandter des verstorbenen, so behält er neben dem Ehegattenerbrecht sein Ver- 
wandtenerbrecht. — Von der S. E. ist Alles zu unterscheiden, was der überlebende 
Ehegatte aus dem bisher vereinigten Vermögen nach den Grundsätzen des ehelichen 
Güterrechtes als sein Vermögen zu beanspruchen hat, sie unterscheidet sich nicht 
minder von dem Nutzungsrecht, das ihm kraft väterlicher Gewalt an dem Vermögen 
der Kinder zusteht. Insbesondere ist weder der bei allgemeiner oder partikulärer 
Gütergemeinschaft dem überlebenden Ehegatten zufallende Antheil an dem Sammtgute, 
noch der ihm aus der fortgesetzten Gütergemeinschaft erwachsende Vortheil für S. E. 
zu erachten. Dasselbe gilt von allen Vortheilen, welche der überlebende Ehegatte 
als gesetzliche Entschädigung für Theile seines eigenen Vermögens erhält, z. B. von 
der altsächsischen Gerade, dem Heergewäte und dem vielfach statt Rückgewähr des 
beweglichen Frauengutes eingeführten Mobiliarantheil, ebenso von der z. B. im 
Märkischen Erbrecht aus Grund einer mißverständlichen Deklaration der Joachimischen 
Erbrechtskonstitution geltenden Befugniß des überlebenden Ehegatten, gegen Ein- 
werfung seines eigenen Vermögens eine Ouote des auf diese Weise hergestellten 
Sammtgutes zu nehmen. Diese sog. „Gütergemeinschaft von Todes wegen“ ist 
ebenso aus einer Mißbildung der ehelichen allgemeinen Gütergemeinschaft entstanden, 
wie die in manchen Gegenden durch eine verkehrte Doktrin und ihr entsprechende 
Praxis geschaffene sog. „Gemeinschaft des Zugewinnstes“ aus einer Mißbildung der 
ehelichen Errungenschaftsgemeinschaft. Alle diese Ansprüche, auch wenn sie erst von 
Todes wegen hervortreten, wurzeln in dem Güterrecht der Ehegatten und sind einzig 
nach diesem zu beurtheilen; hat daher während der Ehe ein Wechsel des Wohnsitzes 
stattgefunden, so ist in dieser Beziehung im Zweifel das Recht des ersten Wohnsitzes 
maßgebend. Dasselbe wird nach Württembergischem Recht auch hinsichtlich der 
eigentlichen S. E. angenommen; die letztere gehört aber ausschließlich dem Gebiete 
des Erbrechtes an und richtet sich daher nach dem Rechte des letzten Wohnsitzes. Das 
Preußische Allg. LK. gewährt dem überlebenden Ehegatten die Wahl zwischen dem 
Rechte des ersten und dem des letzten Wohnsitzes. — Die S. E. findet nur unter 
Ehegatten Anwendung, hat also eine bürgerlich gültige Ehe zur Voraussetzung (nach 
manchen Rechten, z. B. dem Württembergischen, auch noch die Vollziehung des ehe- 
lichen Beilagers) und kommt nach einer Ehescheidung oder Nichtigkeitserklärung der 
Ehe in Wegfall. Lebenslängliche Trennung von Tisch und Bett hat die gleiche 
Wirkung im Deutschen Reiche nur, wenn sie vor dem Reichsgesetz über die Be- 
urkundung des Personenstands und die Eheschließung vom 6. Febr. 1875, oder wenn 
sie im Auslande nach dem dort geltenden Rechte verhängt worden ist. Nach manchen 
Rechten geht die S. E. im Falle der Wiederverheirathung ganz oder zum Theil 
verloren. — Die S. E. ist heute noch vielgestaltiger als im Mittelalter. Häufig 
ist sie für den überlebenden Mann eine andere wie für die Frau. Zuweilen er- 
greift sie nur einzelne Nachlaßstücke, zumal Gegenstände des Hausrathes (in diesem 
Sinne erscheint schon der Mußtheil des Sachsenspiegels als S. E.), oder sie be-
	        
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