Steuerpflicht. 787
willige Geschenke darbringen, so beruht dies darauf, daß die damaligen Germanen
sich noch auf der ersten Stufe der Ansiedelung befanden, während die antike Welt
durch die rasche Entfaltung ihres städtischen Lebens frühzeitig in ein geregeltes Steuer-
system übergegangen war. Den erobernden Horden, wo sie in einem festen Landgebiet
Fuß faßten, kam es weniger auf Landbesitz an, als auf den Dienst mensch-
licher Kräfte, um den Boden nutzbar zu machen. Der Entwickelung des Privat-
eigenthums am Boden geht daher voran die Entwickelung eines Herrschaftsverhältnisses
über die Bebauer des Bodens. Dienste und Naturalabgaben bilden den eigentlichen
Inhalt der Herrschaft; an alle Abgaben knüpft sich daher die Idee einer per-
sönlichen Unfreiheit, welche das Germanische Leben in einer länger als tausend-
jährigen Geschichte nur langsam überwunden hat.
Die Karolingische Monarchie, auf deren Grundlage die mitteleuropäische
Welt erwachsen ist, hat daher keine geordnete Steuerverfassung. Der „Fiskus“ ist
bei den Franken nicht Staatsvermögen, sondern Vermögen des Königs. Die könig-
lichen Einkünfte beruhen auf den großen, aus Eroberung und Konfiskation ent-
standenen Domänen, auf den Bußen der Friedensbrüche, den Bannbußen, den bei-
behaltenen Grund= und Kopfsteuern der Romanischen Unterthanen, den Tributen
unterworfener Völkerschaften. Das Karolingische Finanzwesen gleicht dem Haushalt
eines großen Gutsherrn, in welchem die Unterhaltung des Königs und seines großen
Hofstaates die Hauptausgabe bildete, während die Kriegsrüstung, der Gerichtsdienst
und die sonstigen Ausgaben des heutigen Staates sich als persönliche Leistungen
unter die freien Unterthanen vertheilten. Diese ökonomische Gestaltung des Staats-
wesens mußte Schritt für Schritt in das Lehnswesen überführen. Jedes Heer-
führeramt und jedes Richteramt bedingte ansehnliche Vermögensverwendungen von
Seiten seines Trägers, welche weder durch die Heeres= oder Gerichtspflicht der
Unterthanen gedeckt waren, noch durch Zahlungen des „Fiskus“ gedeckt werden
konnten. Das Amt bedurfte deshalb einer dauernden Ausstattung mit einem nutz-
baren Besitz, der naturgemäß von Vater auf Sohn übergehend, die Amtsstellung zu
einer erblichen macht und aus den höheren Aemtern der Karolingischen Zeit nach
etwa sechs Menschenaltern den Stand der Dynasten, den „hohen Adel“ Deutschlands
gebildet hat. Das Karolingische Amt, verbunden mit der Tragung der ansehnlichen
Kosten für Heerbann, Gericht und Friedensbewahrung, hat dann ebenso die Herren-
stellung der Bischöfe und Aebte, und etwas später auch die Stellung der regierenden
Körperschaften in den Reichsstädten erzeugt.
« Liegt in dem Lehnswesen einerseits eine Vermengung des reinen Amtscharakters
der Karolingischen duces, missi, comites, centenarii mit Verhältnissen des Privat-
eigenthums, so liegt darin andererseits eine Veredelung der Verhältnisse
von Herrschaft und Dienst, welche dies Mischverhältniß von Privat- und
öffentlichen Recht zu einer nothwendigen Uebergangsstufe gemacht hat. Die auf
der persönlichen Verpflichtung zum Kriegsdienst beruhende Abhängigkeit gewinnt ein
Bewußtsein gemeinsamer kriegerischer Ehre, gegenseitiger Treue, gegen-
seitiger Verpflichtungen, welches nunmehr mit der Würde des freien Mannes
vereinbar gilt. Und eben damit vereinbar erscheint nun auch ein System feudaler
Abgaben: Abgaben bei Aenderungen in der herrschenden oder dienenden Hand, zur
Auslösung aus der Gefangenschaft und in gewissen Ehrenfällen, — ein System, aus
dessen Erweiterung und Verallgemeinerung in England die späteren parlamentarischen
Subsidienbewilligungen hervorgegangen sind, während in Deutschland das feudale
Abgabensystem innerhalb des Lehnsnexus stehen bleibt und mit diesem allmählich
abgestorben ist. Das Kaiserthum aber ist damit seiner Regierungsrechte, die zu
eigenen Rechten der Stände geworden, immer weiter entkleidet. In Wechselwirkung
damit ist das Reichsgut durch Verleihungen immer weiter geschmälert und während
des Interregnums nahezu ganz verloren gegangen, ohne daß das Kaiserthum einen
Ersatz für seine verschwundene Finanzkraft zu finden vermochte.
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