Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

790 Steuerpflicht. 
Mit der Französischen Revolution ist die Unnatur der ständischen 
Privilegien zum gewaltsamen Bruch gelangt, nach welchem ebenso die Natur der 
Staatspflichten wie die Freiheit des Besitzes und Erwerbes in der Privatwirthschaft 
in normale Verhältnisse zurücktreten. Was den ständischen Vorurtheilen der Zeit 
als ein gewaltsamer Bruch menschlicher und göttlicher Ordnungen erschien, war doch 
der Sache nach nur Herstellung normaler Grundsätze in Staat und Gesellschaft, 
welche durch die reichs= und landständische Gesetzgebung zu Gunsten der mächtigen 
Klassen verschoben worden waren. Ließen sich die hochgesteigerten Bedürfnifse des 
Reiches, der Staaten und der Kommunen nicht mehr durch ein Domanium und 
durch Regalien bestreiten, so mußten sie bestritten werden durch verhältniß- 
mäßige Beiträge von dem Eigenthum und Erwerb der Privatwirthschaft. Die 
Französische Revolution stellt demgemäß den normalen Bedarf des Staats auf eine 
direkte Besteuerung des Besitzes, und zwar (in Nachwirkung der physiokratischen 
Theorien) zunächst des Grundbesitzes. Bei der Ausführung ergab sich alsbald die 
Unmöglichkeit mit bloßen Grundsteuern auszureichen und daher eine Ergänzung durch 
Zölle vom Gesammtverbrauch der Nation, sowie durch Spezialobjekt-, Erwerbs- 
und Verbrauchssteuern, jedoch unter Vermeidung einer Besteuerung nach dem Ge- 
sammteinkommen, die nach der Gestaltung des Französischen Gemeindelebens unaus- 
führbar erschien. Unter allem Wechsel der Regierungsformen hat sich in Frankreich 
das neue Steuersystem als der konservativste Theil der Staatsverfassung erhalten. 
Die Steuergrundsätze dieser neuen Gesellschaftsordnung sind von Frankreich aus 
schrittweise und schonend in die Deutschen Territorialstaaten übergegangen. 
Die Rheinbundsacte stellt mit großem Nachdruck le droit d'impöt als Theil der 
Souveränetätsrechte der Deutschen Fürsten in ihrer neuen Stellung an die Spitze. 
Jede Schranke dieses Rechtes aus der älteren ständischen Reichsverfassung war jetzt 
beseitigt. Nicht nur die Auflegung von Zöllen und Spezialkonsumtionssteuern, 
sondern auch die Auflegung allgemeiner Grund-, Vermögens= und Einkommen- 
steuern galt jetzt unbestritten als Theil der neuen Verwaltungsordnung, die in vielen 
Rheinbundstaaten mit Unsicht und Energie durchgeführt wurde. Zunächst war 
man hauptsächlich auf Beseitigung der Befreiungen und Privilegien in den bis- 
herigen Steuerverfassungen bedacht, während man übrigens die Staats= und Kommunal= 
steuern schonender behandelte als andere Theile des Verwaltungsrechts. Auch in 
Oesterreich wurde, trotz der Beibehaltung der ständischen Verfassungen, eine energische 
Ausgleichung der Grundsteuern zu Stande gebracht. Als umfassende Aufgabe sah 
die Preuß. Gesetzgebung seit dem Edikt vom 27. Oktober 1810 „die Tragung 
der Abgaben nach gleichen Grundsätzen von Jedermann“ als ihre 
Aufgabe an, die dann durch eine Reihe von späteren Gesetzen, namentlich durch 
Gesetz vom 30. Mai 1820, insbesondere durch Einführung einer allgemeinen Klassen- 
und Gewerbesteuer zur Ausführung kam. Die Erweiterung der Klassensteuer zu 
einer gleichmäßigen Einkommensteuer ist indessen erst 1851 erfolgt, die ein volles 
Menschenalter verschobene Ausgleichung der Grund= und Gebäudesteuern erst 1861. 
Der Grundsatz der vollen gleichen Steuerpflicht der Personen und 
Sachen ist demnach erst im 19. Jahrhundert zur Geltung gekommen. Eine ernste 
staatliche Auffassung stellt in Deutschland den Grundrechten die allgemeinen „staats- 
bürgerlichen Pflichten“ mit gleicher Energie gegenüber, an erster Stelle die all- 
gemeine Pflicht zum Heerdienst und zur Steuerzahlung als Hauptgrundlagen der 
heutigen Repräsentativverfassung. 
Hand in Hand mit dieser Auffassung geht die fortschreitende Einsicht, daß auch 
das Gemeindesteuersystem sich nicht mehr aus den Theilnahmrechten an der 
Korporation oder aus einer nützlichen Verwendung für die einzelnen Mitglieder der 
Gemeinde, genügend ableiten läßt, daß vielmehr die Armenpflege, die Schul-, Wege- 
und andere Lasten der Kommunen allgemein staatliche Verpflichtungen darstellen, 
die nur aus Gründen des Verwaltungsorganismus dezentralisirt sind. Es ergiebt
	        
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