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wendigkeit neuer Steuerregulirungen und Anleihen sichert auch von dieser Seite aus
den Volksvertretungen ihre rechtmäßige Machtstellung, ohne durch ein sogenanntes
„Budgetrecht“ die gesetzliche Ordnung des Rechtsstaats fortwährend in Frage zu stellen.
Für die Seite der Ausgaben freilich besteht das Bewilligungsrecht in den
meisten Deutschen Verfassungen nach dem Buchstaben ziemlich unbeschränkt. Die
Mäßigung der Kammern bei Streichung herkömmlicher Posten ist aber um so
mehr motivirt, als die konstitutionelle Verfassung einen geordneten Staatshaushalt
in Deutschland nicht erst geschaffen, sondern vorgefunden hat, als Schöpfung der
Monarchie. Auch in dem heftigsten Verfassungskonflikt haben sich die Preußischen
Kammern darauf beschränkt, neue Ausgaben für gesetzlich nicht fundirte neue Ein-
richtungen zu streichen. Eine Verweigerung gesetzlich nothwendiger, oder für die
Aufrechthaltung der bestehenden Staatseinrichtungen thatsächlich nothwendiger Aus-
gaben wäre dagegen ein Mißbrauch der Gewalten, der nur dieselben Folgen haben
kann, wie der Mißbrauch der monarchischen Gewalt. Eine „Verweigerung des ge-
sammten Budgets“ läßt sich in ihrem Sinn oder Nichtsinn nur vergleichen dem
Versuch einer „Arbeitseinstellung“ der gesammten Staatsregierung.
Das Resultat dieser Gesichtspunkte ist eine unbedingt freie Bewilligung
oder Versagung der neuen Einnahmen und der neuen Ausgaben des Staats, —
dagegen eine rechtliche Unwirksamkeit einer Versagung von gesetzlich oder zur Auf-
rechterhaltung bestehender Staatseinrichtungen nothwendigen Ausgaben. Das da-
zwischenliegende Gebiet fällt dem Gesichtspunkt politischer Erwägung und Verein-
barung zu. Die Ueberschätzung der Steuerbewilligung als Mittel der Erkämpfung
politischer Freiheitsrechte beruht auf der Auffassung des Staats als eines Mecha-
nismus, während die politische Freiheit auf einer dauernden Arbeit der Selbst-
verwaltung und der Gesetzgebung beruht. Die bequeme Weise einer „konstitutio-
nellen“ Regierung, welche von Jahr zu Jahr von der zweiten Kammer eine Voll-
macht zu ihrer Fortexistenz zu erbitten hätte, macht die Minister nicht zum Mittel-
punkt einer stetigen organischen Gesetzgebung und einer Regierung nach Gesetzen,
sondern macht sie zu Dienern der beherrschenden Gesellschaft mit den ungemessenen
Gewalten einer centralisirten Administration. Alle Verfassungen mit einem solchen
Artikel tragen daher den Keim der Auflösung in sich.
Lit.: Eine Uebersicht über die bestehenden Budget-Verhältnisse der Großstaaten giebt
v. Czoernig, Budgets von Großbritannien, Frankreich, Preußen, Oesterreich, Wien 1862. —
Monographien über die obige Frage: Gneist, Budget und Gesetz, Berl. 1867. — Laband,
Das Budgetrecht, Berlin 1871. — Gneist, Gesetz und Budget, 1879. Gneist.
Stichcoupon, s. Talon.
Stiftmäßig. In der Zeit des alten Deutschen Reiches dienten die Kanonikate
der reichsfreien Hochstifter thatsächlich zur Versorgung der jüngeren Söhne des
Adels Deutscher Nation. Insbesondere waren die Rheinischen und Fränkischen Dom-
stifter vorzugsweise mit Mitgliedern reichsritterschaftlicher Familien besetzt. Bei
eintretenden Vakanzen pflegten die Kapitel nur Standesgenossen der Majorität zu
kooptiren. Schließlich bildete sich in dieser Beziehung ein bestimmtes Herkommen aus,
welches die Stifter nicht selten mit Erfolg geltend machten, um das Einschieben
päpstlicher Kreaturen ausländischer Herkunft zu verhindern. Einige Hochstifter haben
für das ausschließliche Recht des alten Adels sogar päpstliche Privilegien zu er-
werben gewußt. Die Zahl der adeligen Ahnen, welche der Aufzunehmende nach-
weisen mußte, schwankte in den einzelnen Stiftern von vier bis zweiundreißig. Nicht
selten verlangte man sechzehn Ahnen. Das Erforderniß der Ahnenprobe ist, soweit
es früher an den Deutschen Hochstiftern und einzelnen Kollegiatstiftern gegolten hat,
beseitigt worden, für Preußen durch päpstliche Bulle vom 16. Juni 1821, für
Bayern durch Art. 10 des Bayrischen Konkordats.
Nichtsdestoweniger hat die Slkeit oder Stiftsfähigkeit nicht alle und jede prak-
tische Bedeutung verloren. In Erbeinigungen und Fideikommißstatuten, welche der-