Full text: Rechtslexikon. Dritter Band. Erste Hälfte. Pachmann - Stöckhardt. (2.3.1)

74 Polizeistrafverfahren. 
vgl. Art 8 des Badischen Einführungsgesetzes zum RStrafGB. vom 28. Dezember 
1871), Abweichungen von den allgemeinen Bestimmungen des Reichsgesetzes sind 
darin nicht enthalten. 
Auch auf dem Gebiete des Strafprozesses ist eine durchweg verschiedene Behand- 
lung der Verbrechen und Vergehen einer= und der Polizeiübertretungen andererseits 
schon vor dem Erlaß der Deutschen StrasP O. in den meisten Territorien beseitigt 
worden. Dabei ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß bei leichteren Delikten, also 
namentlich bei Uebertretungen, ein einfaches Verfahren vor den zuständigen Gerichten 
angeordnet wird (vgl. z. B. StrafP O. §8§ 211, 244, 264 Abs. 5, auch 231, 319, 
447 ff.). Der Grundsatz, daß eine Strafe auch für Polizeidelikte nur von den Gerichten 
verhängt werden kann, war in Preußen durch die Verordnung vom 3. Januar 1849 
eingeführt (vgl. über die historische Entwickelung Förstemann, S. 212 ff., bes. 
251—259) und auch die Straf P O. für das Deutsche Reich steht auf diesem Stand- 
punkt (vgl. § 13 des G.). Es handelt sich dabei um eine Bestimmung, die im 
öffentlichen Interesse gegeben ist, die aber zugleich einen rechtlichen Anspruch für 
jeden Beschuldigten darstellt. Das öffentliche Interesse ist bei den leichtesten Delikten 
so gering, daß es durch andere Rücksichten verdrängt werden kann, z. B. durch die 
auf eine Ueberlastung, welche den Gerichten aus der ausschließlichen Befaßung auch 
mit den geringsten Strafsachen erwachsen müßte. Der Beschuldigte aber, dem regel- 
mäßig an einer schnellen und mit geringen Kosten verbundenen Strafrechtspflege 
gelegen ist, wird, falls eine geringe Strafe in Aussicht steht, das einfachere und 
billigere Polizeiverfahren dem gerichtlichen vorziehen, obgleich das letztere mehr 
Garantien für eine ungparteiische Rechtspflege darbietet. In diesem Falle können 
Bedenken gegen die Zulässigkeit der polizeilichen Bestrafung kaum obwalten, und es 
ist allen Forderungen auch des Rechtsstaates genügt, wenn nur in jedem Falle die 
Möglichkeit gewährt wird, vor der Vollstreckung der Strafe die richterliche Ent- 
scheidung anzurufen. Dieser Auffassung wollte sich auch die Strafp O. um so weniger 
verschließen, als in einigen Staaten, z. B. Preußen und Baden, mit der vorläufigen 
polizeilichen Strafverfügung gute Erfahrungen gemacht waren. 
Da bezüglich der Einführung dieses Verfahrens hauptsächlich die Bedürfnißfrage 
maßgebend sein muß, so ist dieselbe der Landesgesetzgebung (vgl. die Zusammen- 
stellung der in den einzelnen Bundesstaaten ergangenen Bestimmungen unten) an- 
heimgestellt und die StrasP O. hat nur die Grenzen für die Thätigkeit jener bestimmt 
(Buch VI., Abschn. 2, §§ 453—458). 
I. Eine polizeiliche Strafverfügung ist nur zulässig bei Uebertretungen, und 
auch hier darf die Polizeibehörde im einzelnen Falle keine andere Strafe als Haft 
bis zu 14 Tagen oder Geldstrafe und diejenige Haft, welche für den Fall, daß die 
Geldstrafe nicht beigetrieben werden kann, an die Stelle der letzteren tritt, sowie eine 
etwa verwirkte Einziehung verhängen. Gleichgültig ist es, ob die Uebertretung durch 
das Rötraf GB., ein Reichs= oder Landesgesetz oder eine Verordnung unter Strafe 
gestellt wurde, es kommt nur darauf an, daß keine höhere Strafe als Haft oder 
Geldstrafe bis 150 Mark angedroht ist. Sind Nebenstrafen außer der Einziehung 
zulässig, z. B. Ueberweisung an die Landespolizeibehörde wie in § 362, Abs. 2 des 
Straf GB., Verlust der Befugniß zur Beschäftigung jugendlicher Arbeiter wie in 
8 150 der Gew.O. u. s. w., so darf die Polizeibehörde dieselben im einzelnen Fall- 
nicht auferlegen, wären sie obligatorisch, so eignete der Fall sich nicht zur polizei- 
lichen Strafverfügung. Auf Haft von mehr als 14 Tagen kann nur erkannt werden 
bei Umwandlung der verhängten Geldstrafe, welche nach den in dem fraglichen 
Strafgesetz aufgestellten Grundsätzen, in Ermangelung näherer Bestimmungen nach 
Maßgabe des § 29 des Straf GB. erfolgen muß. Es kann also eventuell an Stelle 
einer Geldstrafe eine Haft von 42 Tagen treten. — Innerhalb dieser Grenzen ist 
die Landesgesetzgebung nicht beschränkt, sie hat namentlich anzuordnen, welcher Be- 
hörde die Befugniß zum Erlaß der Strafverfügung zustehe und kann die Kompetenz
	        
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