Polizeistrafverfahren. 77
Im Einzelnen sind hervorzuheben:
I. Bestimmungen über das Verhältniß der Polizeibehörden zur Staatsanwalt-
schaft bezüglich der Einleitung des Verfahrens. Es ist daran festzuhalten, daß § 152
der Straf PO. die Staatsanwaltschaft verpflichtet, das Verfahren einzuleiten, soweit
nicht gesetzlich ein Anderes bestimmt ist. Die Zulässigkeit eines polizeilichen Ver-
fahrens an sich ändert daran nichts. Es bedurfte daher besonderer Vorschriften,
wenn die Staatsanwaltschaft verpflichtet erscheinen soll, die betreffenden Sachen zu-
nächst an die zuständige Polizeibehörde abzugeben. Dieselben können von der Landes-
gesetzgebung ausgehen, ohne daß darin eine unzulässige Beeinträchtigung des reichs-
gesetzlich aufgestellten Legalprinzipes läge, denn die Zulassung des Polizeiverfahrens
setzt auch die Zulässigkeit von Bestimmungen voraus, welche die regelmäßige An-
wendung desselben bezwecken. Ergangen sind sie jedoch nur ausnahmsweise z. B.
in Sachsen lb) § 11), in Mecklen burg lb) §21, im Gegentheil wird die Polizei-
behörde häufig angewiesen ihr Verfahren einzustellen, wenn sie in Erfahrung bringt,
daß der Amtsanwalt ein solches eingeleitet hat. So in Preußen lb) § 31,
Württemberg la) Art. 1610, Baden lb) § 51. Eventuell wird die Verfügung
wirkunsslos, wenn der Amtsanwalt eingeschritten ist, bevor dieselbe dem Beschuldigten
bekannt gemacht wurde. So in Preußen la) § 9), Oldenburg sa) § 2j,
Mecklenburg sa) § 261, Altenburg (§ 9), Koburg-Gotha (§ 10), An-
halt (§ 10), Reuß (§ 7). Praktisch werden die Polizeibehörden in der Regel
durch Anzeigen zunächst mit den Sachen befaßt werden, und in einigen Staaten sind
die betreffenden Organe angewiesen, dienstliche Anzeigen bezüglich zur Strafverfügung
geeigneter Straffachen an die zuständige Polizeibehörde zu richten, z. B. in Württem-
bergelb) 8 11, Baden lb) § 1—3], Weimar (8 7).
II. Verpflichtung der Polizeibehörden zur Erledigung der an sie gelangenden
Anzeigen. Dem Rechte einer Behörde zum Einschreiten in Strafsachen entspricht
regelmäßig die Pflicht, von diesem Rechte Gebrauch zu machen, es können daher die
Polizeibehörden Sachen, die zu ihrer Kompetenz gehören, nicht ohne Weiteres an
den Amtsanwalt abgeben. Nur ausnahmsweise ist ihnen das Recht dazu eingeräumt
worden, wenn sie eine Sache für ungeeignet zum Erlaß einer Strafverfügung halten,
so z. B. in Württemberg lb) § 10], Baden [b) 8 41, Weimar (§ 7). Da-
gegen muß die Uebergabe zugleich mit den entstandenen polizeilichen Akten stets er-
folgen: 1) wenn es sich herausstellt, daß die betreffende Handlung nicht zur Kom-
petenz der Polizeibehörde gehört oder eine höhere Strafe erforderlich erscheint als
landesgesetzlich den Polizeibehörden zu verhängen erlaubt ist; 2) wenn umständliche
oder mit polizeilichen Mitteln nicht anzustellende Erhebungen, z. B. eidliche Ver-
nehmungen, nothwendig sind, 3) mitunter auch wenn der Beschuldigte verhaftet und
dem Amtesrichter vorgeführt ist, z. B. in Mecklenburg sa) § 181, oder die Straf-
verfügung nicht sofort erlassen werden kann, z. B. in Württemberg (b 8§§ 3
und 4), oder die Sache nicht voraussichtlich in 14 Tagen erledigt sein wird, z. B.
in Baden b) § 10|, vgl. auch Preußen lb) § 221. — In diesem Falle wird
natürlich gerade so verfahren, als wenn die Staatsanwaltschaft von vornherein die
öffentliche Klage erhoben hätte.
III. Wie die Verfügung dem Beschuldigten bekannt gemacht werden soll,
schreibt die StrafP O. nicht vor. Die Landesgesetzgebungen haben in der Regel so-
wol mündliche Eröffnung zu Protokoll, in welchem Falle auf Verlangen eine Ab-
schrift ertheilt werden muß, wie Zustellung einer Ausfertigung durch die Post oder
besondere Beamte zugelassen. Preußen lovgl. a) § 3 und über die Modifikation
des Verfahrens durch die Reichsjustizgesetzgebung Meves, S. 413, A. 121,
Braunschweig,, Anhalt, Schwarzburg-Sondershaufen erwähnen die
Möglichkeit einer mündlichen Bekanntmachung nicht.
IV. Zu bestimmen, wann die Strafverfügung vollstreckbar wird, ist Sache
der Landesgesetze. Es geschieht: 1) wenn die Frist zur Einlegung der Rechtsmittel