Polizeistrafverfahren. 79
zweiten Strafverfügung verjährt ist oder nicht; mit anderen Worten ob der Zeit-
raum zwischen den beiden Verfügungen mehr oder weniger als drei Monate betragen
würde. Nur im letztern Falle wäre der erneute Erlaß statthaft und die betreffende
Verfügung so zu behandeln, als ob vorher eine solche noch gar nicht ergangen.
Meves (S. 415 ff.) hält das begangene Versehen für nicht mehr verbesserlich und
meint, der Beschuldigte könne gegen eine neue Verfügung den Einwand der schon
erfolgten Festsetzung erheben und laufe Gefahr, wenn er denfelben unterließe, daß
innerhalb der Verjährungsfrist beide Verfügungen an ihm zur Vollstreckung gebracht
werden könnten. Natürlich müßte in der zweiten Verfügung die Aufhebung der
ersten ausgesprochen werden, aber selbst wenn das unterbliebe, könnte sich der Be-
schuldigte immer noch gegen eine Doppelvollstreckung mit den Mitteln schützen, die
gegen ungerechtfertigte Polizeimaßregeln überhaupt zulässig sind. Der von Meves
gefürchtete Einwand aber wäre in jedem Fall unerheblich, da er entweder an die
vorgesetzte Behörde ginge, welche ihn als unbegründet zurückweisen könnte, oder sich
als Antrag auf gerichtliche Entscheidung darstellte, in welchem Falle das Gericht
ohnehin in der Sache selbst zu erkennen hätte.
V. Bezüglich der Wirkung steht eine vollstreckkar gewordene Strafverfügung
dem rechtskräftigen Urtheile gleich, das staatliche Klagerecht ist durch dieselbe ver-
braucht. Eine Ausnahme findet nur insofern statt, als die Staatsanwaltschaft auch
nach rechtskräftig gewordener Polizeiverfügung die öffentliche Klage erheben kann,
wenn die betreffende Handlung, richtig betrachtet, keine Uebertretung, sondern ein
Verbrechen oder Vergehen darstellt. Der Gundsatz non dis in icem, den die
Straf P O. zwar nicht ausdrücklich aufstellt, aber unzweifelhaft stillschweigend aner-
kennt, steht dem nicht entgegen. Seine Anwendung beruht auf der Annahme, daß
bei der ersten Verhandlung ein Zusammenwirken der Staatsanwaltschaft und der
Gerichte stattgefunden habe, also dafür, daß keine rechtlich erheblichen Gesichtspunkte
übersehen wurden, Garantien gegeben seien. Dieselben fehlen bei dem Polizeiver-
fahren, welches darum auf ein bestimmtes enges Gebiet beschränkt wurde. Eine
Ueberschreitung desselben führt zur Aufhebung des Verfahrens, falls es zur gericht-
lichen Verhandlung kommt, und es ist dann gerade so, als sei in der Sache selbst
noch nichts geschehen. Sollte das anders sein, wenn die richterliche Prüfung durch
ausdrücklichen oder stillschweigenden Verzicht des Beschuldigten ausgeschlossen wird,
so räumte man damit dem Beschuldigten einen sonst unerhörten Einfluß auf das
staatliche Klagerecht, und der Strafverfügung eine über ihren Inhalt weit hinaus-
gehende Bedeutung ein. Mehrere Landesgesetze enthalten entsprechende Bestimmungen,
z. B. Preußen sa) §8|, Württemberg (a) Art. 241, Mecklenburg la) § 311,
Weimar (§ 13), Meiningen (§ 7), Altenburg (§ 8), Koburg-Gotha-
E 9) Schwarzburg-Rudolstadt (§ 10), Reuß (§ 7), aber auch wo dieselben
fehlen, muß aus inneren Gründen ebenso entschieden werden. So auch das Reichs-
gericht (vgl. Urtheil vom 2. Juni 1880 s. Rechtsprechung II. S. 17, Entscheid. II.
S. 217), welches andererseits anerkennt (vgl. Urtheil vom 7. Juli 1880, s. Puchelt,
S. 707 Nr. 4), daß die innerhalb der polizeilichen Zuständigkeit verhängte Strafe
wegen der gleichen Uebertretung nicht nochmals von den Gerichten ausgesprochen
werden darf. Nicht unbedenklich ist die in den erwähnten Landesgesetzen, mit Aus-
nahme von Preußen, Württemberg, Mecklenburg, weiter enthaltene Be-
stimmung, daß solchen Falls eine gezahlte Geldstrafe zurückerstattet, verbüßte Haft
voll angerechnet werden müsse. Für Preußen will Oppenhoff (S. 635 Nr. 4
zu § 8) auch ohne gesetzliche Bestimmung ebenso entscheiden. Die Zurückerstattung
der Geldstrafe kann unzweifelhaft angeordnet, nicht aber auch der Richter angewiesen
werden, eine vollzogene Haftstrafe in Anrechnung zu bringen. Sicher wenigstens
dann nicht, wenn das betreffende Delikt reichsrechtlich mit Strafe bedroht ist, in
welchem Falle allein die reichsrechtlichen Grundsätze auch über Anrechnung verbüßter
Strafen zur Anwendung gelangen dürfen. Praktisch würde es ohnehin große Schwierig=