Polizeistrafverfahren. 81
S. 504 Nr. 4, Meves, S. 417, Anm. 17, anderer Meinung: Löwe, S. 884
Nr. 4, der jedoch, im Fall der Beschuldigte der polizeilichen Entscheidung wider-
spricht, ebenfalls die Sache dem Amtsrichter überlassen will. Dochow hat seine
früher ausgesprochene Zustimmung zu Löwe's Meinung anscheinend fallen lassen
(vgl. 1. Aufl., S. 236 und 2. Aufl., S. 238 mit 3. Aufl., S. 279); vgl. auch
Voitus, S. 397 ff. — Bis die Akten der Staatsanwaltschaft eingereicht sind,
kann die Verfügung zurückgenommen werden, später nicht mehr. Die Ansicht Thilo's,
S. 504 Nr. 2, daß eine solche Zurücknahme im Einverständniß mit der Staats-
anwaltschaft zulässig sei, so lange die Sache dem Amtsrichter noch nicht vorgelegt
ist, hat im Gesetz nicht den mindesten Anhalt. Erfolgt die Zurücknahme, über deren
Statthaftigkeit die Landesgesetze Anweisungen geben können (vgl. Preußen c) III. 1),
Württemberg lb) § 161 — nur wenn die Verfügung unbegründet war), so wird
dadurch weder die Erhebung der öffentlichen noch der Erlaß einer neuen Verfügung
ausgeschlossen. — Gegen die Versäumung der Antragsfrist ist ein Gesuch um Wieder-
einsetzung in den vorigen Stand zulässig. Ueber dasselbe, welches auch bei der
Polizeibehörde gestellt werden kann (nothwendig wegen § 45, Abs. 2), entscheidet
der Amtsrichter nach den allgemeinen Grundsätzen. Daß auch § 47 entsprechende
Anwendung finde, wie Löwe (S. 885 Nr. 2 zu § 455) und Thilo (S. 505
Nr. 2) wollen, wird man bei dem Schweigen des Gesetzes, welches in § 455 die
übrigen von der Wiedereinsetzung handelnden Paragraphen einzeln für anwendbar er-
klärt, nicht annehmen dürfen. Die Straf P O. will die Bestimmungen über die Voll-
streckbarkeit der Strafverfügung und darum auch die über den Einfluß der Wieder-
einsetzung auf jene der landesgesetzlichen Regelung überlassen. In Württemberg
Lla) Art. 22)] ist § 47 für anwendbar erklärt worden, ebenso Olden burg sa) 5 §11;
wo ausdrückliche Bestimmungen fehlen, werden die allgemeinen Grundsätze der be-
treffenden Gesetzgebung zur Anwendung kommen müssen. — Wenn der fragliche An-
trag an den Richter gelangt, so hat derselbe nur die Rechtmäßigkeit eventuell die
Legitimation des Antragstellers zu prüfen und muß dann einen Termin zur Haupt-
verhandlung anberaumen. Bis zum Beginn derselben kann der Antrag zurück-
genommen werden, alsdann tritt die Verfügung wieder in Kraft (§ 456, Abs. 2). —
Der Einreichung einer Anklageschrift oder einer Entscheidung über die Eröffnung des
Hauptverfahrens bedarf es nicht (§ 456, Abs. 1), da erstere durch die polizei-
lichen Akten ersetzt wird, und letztere nicht, abgelehnt werden kann, wenn der Antrag
rechtzeitig gestellt ist. — Das Verfahren in der Hauptverhandlung, bei welcher die
Staatsanwaltschaft mitwirken muß, als habe sie die öffentliche Klage erhoben, weicht
von dem gewöhnlichen nicht ab. Daß der Angeklagte sich dabei nur durch einen mit
schriftlicher Vollmacht versehenen Vertheidiger vertreten lassen kann (§ 457, Abfs. 2),
entspricht lediglich den allgemeinen Bestimmungen der §§ 231 und 233. Sein
Erscheinen wird als regelmäßiger Fall vorausgesetzt und er muß entsprechend den
Bestimmungen des § 231, Abs. 2 geladen und gegen den Ausbleibenden, auch wenn
er durch keinen Vertheidiger vertreten ist, verhandelt werden. Eine Regelung
des Verfahrens in diesem Fall von der Landesgesetzgebung zu erwarten, wie
v. Schwarze, S. 590 zu § 457, will, dürfte weder statthaft noch nothwendig sein,
da die allgemeinen Bestimmungen der StrafPO. anwendbar sind (§ 457, Abs. 1)
und vollkommen ausreichen; vgl. gegen v. Schwarze auch Voitus, S. 105 ff.
Die gegen das schöffengerichtliche Urtheil zulässigen Rechtsmittel sind die gewöhn-
lichen, namentlich ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, entsprechend § 234,
zulässig. Auch § 235 kann angewendet, d. h. ein persönliches Erscheinen des An-
geklagten vor Gericht angeordnet werden. — Das Gericht kann die verhängte Strafe
bestätigen, den Angeklagten freisprechen, ihn zu einer leichtern oder härtern Strafe
verurtheilen, es ist an die Strafverfügung nur insofern gebunden, als sich das Urtheil
auf dieselbe That wie jene beziehen muß. Was in Zweifelsfällen als „dieselbe
That“ anzusehen sei, muß nach den allgemeinen Grundsätzen beurtheilt werden.
v. Holtzendorff, Enc. II. Rechtslexikon III. 3. Aufl. 6