Popularklagen. 91
ädilitischen de bestiis, b) bei der actio de mortuo illato und der operis novi nuntiatio.
3) Das Interesse der Integrität obrigkeitlicher öffentlicher Bekanntmachungen wird
geschützt durch die actio de albo corrupto.
Einen eigenen Charakter hatte die actio de testamento aperto oder die Straf-
klage wegen vorzeitiger Testamentseröffnung, indem hier die Strafsumme nur zur
Hälfte dem Kläger praemi# nomine zufiel. Während bei allen anderen prätorischen
P. die Strafe dem Kläger in seiner Eigenschaft als Glied des populus geschuldet
wird, ist sie hier vielmehr dem populus selbst geschuldet, der nur seinem Vertreter
die Hälfte überläßt. Solche dem Staate geschuldete Geldstrafen, deren Einforderung
im Wege des Civilprozesses jedem Bürger zustand, waren in einer Reihe von Fällen
durch Gesetz statuirt; bestritten ist jedoch, ob auf diese Fälle der Begriff der popu-
laris actio Anwendung finde. Gleichgültig ist es hierfür, daß jene Gesetze selbst
dieser technischen Bezeichnung sich nicht bedienen; ihre Anwendbarkeit auf die ge-
dachten Fälle ist nicht zu leugnen, da wir auch in ihnen einerseits mit civil-
prozessualischen Aktionen es zu thun haben und andererseits diese actiones im Gegen-
satze zu den privatae noch in höherem Grade populares sind als die präto-
rischen. Wenn aber namentlich Brinz die ganze Verschiedenheit der Fälle auf
einen Gradunterschied zurückführt, so übersieht er, daß der populus, dessen Interesse
die prätorischen P. zu wahren pflegen, keineswegs identisch ist mit demjenigen populus,
welchem kraft gesetzlicher Damnation eine Strafe geschuldet ist. Dort ist der Gegensatz
des Privaten und Popularen der des einzelnen und aller, indem die popularis actio
nicht ein Sonderinteresse des Klägers, sondern ein Interesse aller Bürger wahrt, das
als Interesse jedes Bürgers für jenen in keiner Weise ein fremdes ist. Wer dagegen
eine dem Staate geschuldete Summe einklagt, der ist ein Vertreter fremden Rechtes,
da die Rechte des populus als einer rechtlichen Einheit für den einzelnen Bürger
fremde Rechte sind; für diese Fälle also und nur für sie trifft Savigny's Auf-
fassung (Obligationenrecht, II. S. 314) zu, daß „jeder Bürger gleichsam einen Staats-
anwalt vorstellte“.
Besteht so eine Wesensverschiedenheit zwischen den jedem Bürger für sich zu-
stehenden und den im Namen des Staates vom einzelnen Bürger als seinem Organe
geltend gemachten Strafforderungen, so erhebt sich andererseits die Frage, ob eine
mehr als prozessuale Verschiedenheit bestehe zwischen den prätorischen populares
actiones und den popularia inter dicta. Solche Interdikte existirten 1) gegen
unberechtigte Anlagen a) an öffentlichen Wegen (mit Ausnahme der städtischen und
wol auch der Staatsstraßen) und Abzugskanälen, b) an öffentlichen Flüssen, soweit
dadurch die Schiffahrt behindert oder der Wasserlauf geändert wird; 2) gegen Ver-
hinderung der Benutzung oder Reparatur der Wege und Flüsse bzw. Flußufer;
3) gegen Schädigung durch irgend welche Anlagen auf öffentlichem Boden.
Während die unter 1 erwähnten Interdikte den prätorischen populares actiones
schlechthin gleichartig sind, ist bei den übrigen diese Gleichartigkeit jedenfalls nur
eine theilweise, weil sie nicht jedem Bürger, sondern nur dem durch den Beklagten
Behinderten oder mit Schaden Bedrohten zustehen. Zwar macht auch hier die Klage
kein Sonderrecht geltend; doch ist sie nicht mehr pönaler Natur und macht ein
individuelles Interesse des Klägers geltend. Ein individuelles Recht wahrend, dessen
Anspruch auf rechtlichen Schutz im Bürgerrechte als solchem begründet ist, sind diese
Klagen zwar den eigentlichen P. aufs engste verwandt, aber doch keine wirklichen
P. mehr, indem die Besonderheiten dieser hier wegfallen.
Während die Fälle einer dem Staate geschuldeten Strafe, deren Forderung im
Wege des Civ.Prz. jedem Bürger zustand, mit einer Ausnahme (I. 3 pr. D. de
term. moto 47, 21) schon dem Justinianischen Rechte nicht mehr angehören, sind außerdem
für unser Recht gleich anderen Forderungen auf eine dem Kläger zu zahlende Strafe
die eigentlichen P. weggefallen, während die Geltendmachung eines individuellen kraft
Bürgerrechtes auf rechtlichen Schutz Anspruch machenden Interesses dem heutigen