Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

116 Reichstag. 
der Verlängerung der Legislaturperiode allerdings finden zu 
können. Wenn ich mir ein Bild mache Über den Gang, den unser Wahl- 
versahren in Zukunft nehmen werde, so glaube ich, daß die Gesahren haupt- 
sächlich in den großen Schwankungen von der einen extremen Seite nach 
der anderu extremen Seite liegen werden. Je mehr man das Wahlrecht, 
die Entscheidung der Wahlen in die Hand der leicht beweglichen Massen 
legt, desto mehr werden die Wahlen geleitet, be dingt werden durch den 
Moment, durch die politische Erregtheit oder Gedrücktheit des Mo- 
ments, in den die Wahl trifft. Sie werden also, je nachdem der Impuls 
dazu vorhanden ist, entweder äußerst reactinair oder äußerst demokratisch wer- 
den, sie werden une die Mittelparteien je lünger je mehr aus den Versamm- 
lungen verdrüngen. Dae ist meine Besorguiß, wir werden in raschen Ueber- 
gängen von reactionairen Versammlungen zu demokratischen kommen, und 
dadurch die Stabilität des Ganges der Staatsgeschäfte wesentlich alteriren. 
Nun ist es aber ein Erfahrungssatz, daß die extremsten Parlamente im Lause 
der Verhandlungen gemäßigter werden und zwar aus dem ganz einsachen 
Grunde, weil derjenige, der sich wirklich ernstlich mit den Geschästen besassen 
muß, eine ganz andere Anschauung von denselben bekommt, als diejenigen, 
dle ihnen nur als Kritiker und Raisonneure gegenüberstehen. Es ist also im 
Laufe einer längeren Vegislaturperiode mehr Hoffnung vorhanden, stetige 
politische Gedanken zur Geltung zu bringen, als bei dem häufigen Wechseln 
der Wahlen. Das ist für mich ein wesentlicher Grund für längere Legis- 
laturperioden. Dann kommt dann allerdinge auch noch hinzu, was der Herr 
Abgeordnete für Hagen bereits heroorgehoben hat, und was meiner Ueber- 
zeugung nach in keiner Weise ohne Wichtigkeit ist, daß nämlich die öftere 
Wiederholung der Wahlen in dem Volke das Gefühl für die Wichtigkeit des 
Wahlgeschäftes abstumpft. Denn, wenn wir nun für die einzelnen Landtage 
bereits dreijährlge Legislaturperioden haben und nun außerdem noch drei- 
jährige Legislaturperioden für den Relchstag erhalten, dann kommen wir aus 
dem Wählen gar nicht heraus, und das Volk wird je länger je mehr ver- 
wirrt werden; besonders aber, wenn es nach verschiedenen Wahlgesetzen, heute 
einmal nach dem allgemeinen Wahlgesetz, und morgen wiederum nach dem 
Dreiklassensysten wählen soll, so wird das keineswegs dazu beitragen, das 
wirkliche Interesse an den Wahlen lebendig zu erhalten. Ich würde daher 
lür jede Verlängerung der Wahlperiode sein, sei es nun eine auf 5 Jahre, 
wie vorgeschlagen worden ist, sei es nun eine aus 6 Jahre. Principa- 
liter würde ich mich für eine sech jährige Legislaturperiode erklären, und ich 
glaube, es ist dabei auch nicht dle Gefahr, die der Herr Abgeordnete für 
Hagen darin gesehen hat, daß nämlich dann die Wahlen für die Landtage 
mit dreilähriger Legislaturperlode und die Wahlen mit sechejähriger Legis-= 
laturperiode zusammentreffen, — im Gegenthell, wenn man nicht zu gleicher 
Zeit anfängt, so treffen sie nicht zusammen; wenn man in dem einen Jahre 
wählt für den Preußischen Landtag, und im nächsten Jahre anfängt für den
	        
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