Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

114 Historische Einleitung. 
zu machen, Niemand dachte daran, bei der Gestaltung des projektirten deutschen 
Bundes einfach von Baiern abzusehen. Auch nach dieser Zeit war Baiern trotz 
unbezweifelter Souveränetät den Dispositionen untergeben, welche nach der 
damals bestehenden Verfassung die Gemeinsamkeit über Deutschland zu treffen 
berufen gewesen ist. Erst das Jahr 1866 hat, nachdem die Unhaltbarkeit 
des bisherigen IZustandes nachgewiesen war und noch Niemand in der Lage 
gewesen ist, einen annehmbaren Vorschlag darüber zu machen, wie sich die 
Sache in der Folge gestalten sollte, Baiern eine völlige Unabhängigkeit von 
verfassungsmäßigen Verbindungen mit den übrigen deutschen Staaten und 
einc völlig unabhängige internationale Stellung gebracht. Aber auch diese 
Wandelung vollzog sich, darüber ist kein Zweifel, nicht etwa in der Weise, 
daß es irgend Jemand beabsichtigt hätte, es sollte so werden und nicht anders. 
Nur die Unreife der Verhältnisse hat zu diesem völlig unabhängigen inter- 
nationalen Standpunkt geführt. Niemand war im Zweifel darüber, ich we- 
nigstens habe mich von jeher zu der Ansicht bekannt, daß die erste große 
Krisis dem im Jahre 1866 geschaffenen Zustande ein Ende machen werde. 
Die Ungewißheit bestand nur, meines Erachtens, darüber, wie dieses geschehen 
werde, ob mit entsprechender Schonung unserer berechtigten Eigenthümlich- 
keiten, ob dadurch, daß das Geschick über den Namen Baiern hinweggeht. 
Aber trotz dieser unabhängigen Stellung waren und blieben die Beziehungen 
Baierns zum übrigen Deutschland so eng, daß selbst Oesterreich und Frank- 
reich, welche doch das dringendste Interesse gehabt hätten, alle Verbindungen 
zu lösen, ich will nicht sagen, es nicht wagten, aber es nicht für angemessen 
hielten, von solchen Verbindungen gänzlich abzusehen. Schon in dem Prager 
Frieden finden Sie schüchterne Versuche angedenket, wie mit Schonung der- 
jenigen Interessen, die Oesterreich und Frankreich zu wahren sich berufen 
glaubten, dennoch eine Verbindung Süddeutschlands und Bayerus mit dem 
übrigen Deutschland hergestellt werden könnte. So eng waren und blieben 
die Beziehungen Baierns zu dem übrigen Deutschland, daß in dem Augen- 
blicke, in welchem der alte Bund auseinanderfiel, au dessen Stelle die 
Allianzverträge traten, die uns, in politischer Beziehung, enge mit Nord- 
deutschland und den übrigen deutschen Staaten in Verbindung brachten, und 
daß an die Stelle der alten Beziehungen auf wirthschaftlichem Gebiete der 
neu formulirte Zollverein trat, welcher uns bereits zu dem Anfange eines 
verfassungsmäßigen Zusammenschlusses mit dem übrigen Deutschland führte. 
Meine Herren, ich denke mir, es kann Niemand behaupten, daß uns die 
Allianzverträge und der Zollverein cine größere und wahrere Unabhängigkeit 
gesichert hätten, als dies bei einem verfassungsmäßigen Bündnisse der Fall 
ist. Der wesentliche Unterschied zwischen Beiden besteht darin, daß wir mit 
den Allianzverträgen die Politik, die man anderwärts zu machen für gut 
fand, einfach unsererseits acceptiren mußten, während wir jetzt fortwährend 
in der Lage sein werden, die gewichtige Stimme Baierns in der Ordnung 
der deutschen Verhältnisse zur rechten Zeit auf redlichem Wege und, ich denke 
mir, nicht ohne Erfolg zu verwerthen. Meine Herren! In Deutschland
	        
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