Generaldebatte. Brauchitsch. 227
daran erinnern, daß es sogar noch einen kleinen deutschen Staat giebt, den
wir ganz vergessen haben und den auch ein Theilchen „süddeutscher Brüder“
berehnen. Ich will ihn nicht erst nennen, um nicht mödlicherweise ein
Lächeln hervorzurufen; der kleine Staat möchte nur dazu dienen, den Be-
weis zu liefern, daß es niemals zweckmäßig und gerathen war, solche kleinen
politischen Eristenzen zu schaffen. Aber ich verwahre mich dagegen, daß dem
Gehlen eines Artikels 79 jemals eine Auslegung in dem Sinne gegeben wer-
den darf, wie ich sie eben bier angedentet habe. Ich meinerseits halte die
Petition, die neuerdings aus Köln an den Bundesfeldberrn gerichtet ist, und
die Bitte enthält, sich bei dem Friedensschluß nicht an die Sprachgrenze zu
balten, für wohlberechtigt und hätte Nichts dagegen, wenn einst alle alten
deutschen Reichslande dem neuen deutschen Reiche theils durch Inkorpoeration,
theils durch Realunion als unmittelbare Reichelande, wieder hinzugefügt
werden. Dem Gedanken moge mehr und mehr nackgehbangen werden!
Nun, meine Herren, dies sind die Bedenken, die ich mich verpflichtet gehal-
len habe, hervorzuheben. Dem gegenüber stebt aber die eruste Erwägung,
daß jeres Loch, welches wir durch etwaige theilweise Aenderungen in die
uns vorgelegten Verträge machen, unfehlbar der rollständigen Vernichtung
der Verträge gleich zu achten ist. Zu einer solchen Vernichtung können wir,
meine politischen Freunde und ich, uns nicht rersteben, trotz aller und aller
Bedenklichkeiten. Wir meinen vielmehr, daß drei Dinge uns eutschieden da-
ron zurückbalten müssen: Erstens der Hinblick und die Rücksicht auf den
setzigen Friedensschluß. Wir sind gar nicht im Stande zu ermessen, welchen
nachtheiligen Einfluß eine Verwerfung der uns vorliegenden Verträge auf
den Abschluß des Friedens und auf die Hartnäckigkeit des Feindes zu äußern
im Stande ist. Wir können ferner nicht im CEntferntesten ermessen, in eine
wie ungünstige Lage Deutschland künftig gegenüber den Nachbarstaoten ge-
rätb, wenn Sie diese Verträge nicht annehmen, und dadurch ein Bild von
Jerissenbeit und Uncinigkeit entrollt würde. Zweitens verlangt eine ganz
besendere Beachtung unser deutsches Heer, unser deutsches Volk in Waffen.
Bir baben keine geworbenen Banden von Ausländern; unsere Streiter,
lauter deutsche Landeskinder, die ausgezogen sind mit dem klaren, Bewußtsein
ren dem, wofür sie kämpfen, sie wissen, daß sie nicht allein zur Abwehr
des Feindes in einen uns aufgedrungenen Krieg gezogen sind, sondern daß
mit dieser Abwehr auch gleichzeitig die Einigkeit unseres deutschen Vater-
lundes erstritten werden soll. Einc solche zuversichtliche Haltung lebt ent-
schieden in dem selbstbewußten denkenden Theile unserer Krieger, und es
hieße ibnen in's Angesicht schlagen, wenn man diesem Hoffen nicht dadurch
Folge gäbe, daß man in jeder möglichen Weise, wäre diese auch nicht sofort
die beste denkbare, zu einer Vereinigung der deutschen Staaten zu einem
deutschen Reiche gelangte. Endlich Drittens, meine Herren, ist es zwar
nicht gut, wenn ein reiner Idealist Politiker ist, aber ich meine, das ist
auch ein schlechter Politiker, der kein Ideal hat. Das Ideal, das uns Allen
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