Berlichingen. 409
— für das Beste gehalten; nun es einmal unmöglich geworden, wünsche er,
ein Feind jeder Halbheit, das, was sein solle, anch ganz. Und da befinde
er sich mit seinem Herru Nachbar, nach welchem wir deutsche Reichsbürger
esster Klasse würden, nicht im Einverständniß. Wir werden vielmehr ferner
die Nachtheile des kleinen Staates ohne die Vortheile des großen haben.
Unser Staat, ohne Militärhoheit, ohne Vertretung nach Außen, ohne eigene
Verkehrsanftalten und mit beschränkter Legislation, sei kein souveräner
Staat mehr, werde rangiren etwa in der Reihe mediatisirter Standes-
berrschaften von anno 1806. Unsere Wirksamkeit auf dem Landtage werde
in Zukunft kaum größer sein, als die einer Kreisversammlung, und heute
schon nehme man gewissermaßen Abschied von einem und dem andern Mi-
nisterium. So sei Frankfurt, so sehr es sich zu beschweren Ursache gehabt,
dann Hannover, Hessen-Kassel 2c. weit besser daran. als die thüringischen
Staaten oder das kleine Fürstenthum Waldeck mit seiner seelenverkäuferischen
staatsverpachtenden Accession. Darum ziehe er die Annektirung vor und
diese Jdee greife bei uns immer weiter um sich; von zehn Personen stimmen
fünf öffentlich dazu und drei im Geheimen. Er betrachte den jetzigen Zu-
stand als Provisorium und werde fortan entschieden zum Einheitsstaat
neigen. Nur möge man vorher die Eisenbahnen möglichst vortheilhaft ver-
laufen und einen Provinzialfond daraus bilden, damit es uns nicht gehe,
wie gewissen andern Staaten. Daß die Kammern zu Anfang des Krieges
einberufen worden wären, hätte er nur gewünscht, damit einmüthig hätte
kenstatirt werden können, wie ein Angriff auf den Norddeutschen Bund
ein Angriff auf Deutschland überhaupt sei. Im Uebrigen könne er die
Regierung deßhalb nicht tadeln, er hätte es auch so gemacht, gemäß dem
Grundsatz: „das öffentliche Wohl ist das erste Gesetz." Mehr Stoff zum
Nachdenken könnte geben, daß wir ein neues Wahlgesetz haben und daß
dennoch der alte Landtag einberufen wurde zu Berathung der wichtigsten
Krage, die seit Bestehen der Verfassung vorgelegen. Das hätte er nicht
zethan. Doch wolle er in jetziger Zeit keinen Staub hierwegen aufwirbeln,
zumal die Frage mehr das andere Haus, die eigentlichen Volksvertreter
kerühre. Uns bleibe hier nur übrig, derjenigen zu gedenken, die in diesem
mhmreichsten Kampfe, den die Geschichte kennt, für uns im Felde stehend
ihr Blut vergießen, sie unserer Generosität in Versorgung der Invaliden,
Wittwen und Waisen zu versichern, damit diese mit Stolz und Genug-
thuung einst sagen können: das Vaterland hat sich dankbar erwiesen, —
Jene, welche den Heldentod starben, ihr Leben in der That für das große
deutsche Vaterland, nicht in dynastischem Interesse hingaben, in ehrenvollem
Andenken zu behalten. Und eben auch die Rücksicht auf die Armee be-
stimme ihn, dieser Verfassung zuzustimmen. Wie, wenn die Söhne unseres
Vaterlandes einst zurückkehren und fragen: was habt Ihr gethan im Lande,
während wir für Deutschlands Größe und Einheit siegreich fochten? —
Sollen wir ihnen nichts anderes zu sagen haben, als: wir haben Charpie