452 Hessen. Verhandlungen der zweiten Kammer.
Bundes angenommen werden solle, und mit dieser Ablehnung war ich voll-
ständig einverstanden. Daß die Regierung bei dieser Ablehnung weder den
unerläßlichen einheitlichen noch den freiheitlichen Postulaten hat entgegen-
treten wollen wird sich ergeben. Indem ich im Namen Großherzoglicher Regie-
rung damals die vorstehend besprochenen beiden Sätze als Ausgangspunkt be-
zeichnete, bin ich einem dritten Satze jener Baierisch-Würtembergischen „Ministe-
rial-Erklärung“ entgegengetreten. Die Baierische Regierung hatte nämlich bei
Mittheilung derselben folgenden Satz aufgestellt: „Wenn die Königliche Regie-
rung hiernach die Annahme der Verfassung des Norddeutschen Bundes ablehnen
mufs, so erachtete sie sich andererseits nicht für befugt, Aenderungen dieser Ver-
fassung in Vorschlag zu bringen, muß vielmehr dieselbe als eine feststehende That-
sache anerkennen, welche bei ihren Vorschlägen über Herstellung eines weiteren
Bundes in Rechnung zu stellen ist.“ Meine Herren, mit dieser bescheidenen
Enthaltung und Anerkennung eines angeblichen fait accompli war aber der
Einheit Deutschlands nicht gedient; die aus dieser Anerkennung gezogene Cen-
seguenz war eben jener staatenbündliche Vorschlag eines weiteren Bundes
der einzelnen süddeutschen Staaten mit dem engeren, in sich geschlosse-
nen Norddeutschen Bunde, — jenes dann aufgegebene Project, das ich
vorhin charakterisirt habe. Ich führte daher im Gegensatze zu jener Aufstellung
aus, daß Niemand mehr berufen sein könne als Baiern, eine Initiatire zu
ergreifen und diejenigen Veränderungen an der norddeutschen Bundes-Ver-
fassung in Vorschlag zu bringen, welche Aussicht zur Annahme haben könn-
ten, damit aus der Verfassung des Norddeutschen Bundes eine Verfassung für
das ganze außerösterreichische Deutschland sich gestalte. Natürlich, je weiter
man in solchen Vorschlägen von den Grundlagen abwich, auf welchen die
Norddeutsche Bundesverfassung beruht, je geringer war die Aussicht, zu einem
ersprießlichen oder zu irgend einem Ziele zu gelangen. Ich hatte daher
meine Vorschläge auf ganz wenige Abänderungen der Norddeutschen Bundes-
verfassung, aber solche zu beschränken, von denen die Regierung glaubte, daß,
wenn sie Geltung finden sollten, dieß zum Heile der Nation führen werde. —
Sollte bei dem Wiederzusammeuschluß des außerösterreichischen Deutschlands
die Gleichberechtigung der Stämme mäöglichst gewahrt, die Präpotenz eines
Groß-Preußens einigermaßen abgewehrt werden, so kann das nur auf dem
Boden der freiheitlichen Entwickelung durch Begründung eines aufrichtigen
Parlamentarismus gelingen. — Es war damals Friede und es galt die Ein-
heit Deutschlands zu begründen, den Wiederzusammenschluß von Süd= und
Norddeutschland einzuleiten, ohne diesen Frieden zu gefährden. Aber die
auswärtigen Mächte waren geneigt, in einem unter Preußischer Spitze ge-
einigten Deutschland ein den Frieden bedrohendes, deutsches Uebergewicht zu
erblicken. Es schien also gebotenm Bürgschaft friedlicher Gesinnung in dem
Augenblick, in welchem Deutschland sich einigte, Europa gleichsam als enp-
tatio benevolentine zu bieten. Sie werden sich erinnern, daß es als sehr
allgemeine Ueberzeugung in Deutschland sich geltend machte: der Präsenz-
stand der deutschen Heere, wie er durch die Norddcutsche Bundes-Verfassung