Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

602 Baiern. Kammer der Abgeordneten. 
was es um ein Gemeines Deutsches Recht ist und weil ich es nicht wagen 
mag, mit den Kräften, die dem einzelnen Staate zu Gebote stehen, auf dem 
Gebiete der Gesetzgebung Konkurrenz zu machen der ganzen Wissenschaft des 
Deutschen Vaterlandes. (Bravo.) Ich denke, es wäre billig gewesen, mit 
solchen Vorwürfen uns, dic wir schon manches ertragen haben, zu verschonen. 
Meine Herren, man hat uns die Qualität von Staatsmännern abgestrittn. 
Ich vermag die Härte dieses Urtheils zu tragen, einmal weil ich nie gegein 
habe nach diesem mir nicht gebührenden Titel, und dann weil dieses Urtheil 
nicht aus kompetentem Munde kommt. Aber ich erwähne dieß lediglich des- 
halb, um daran die Bemerkung zu knüpfen, daß unser Streben in Ver- 
sailles nicht dahin ging, ruhmredige Prädikate uns zu erwerben, sondem 
dahin, fest zu unserer Ueberzeugung zu stehen und ein gutes Gewissen da- 
vonzutragen, und das, meine Herren — ich sage es mit Stolz — ist uns 
gelungen. Viele Vorwürfe hat sich die Regierung dadurch zugezogen, weil 
wir nicht gesprochen hätten. Wir hatten jsa gesprochen! In der Thronrede 
war deutlich zu lesen, daß die Regierung einer nationalen Einigung nicht 
abhold ist, und auch ein Zweites ist deutlich zu lesen, daß wir eine nationale 
Einigung nicht um seden Preis machen. Etwas Anderes hätten wir trotz 
aller Sollizitationen nicht zu erklären vermocht, und selbst, meine Herren, 
wenn wir mit der Absicht nach Versailles gegangen wären — und auch die 
Thatsache, daß wir nach Versailles gingen, ist ein Sprechen — selbst wenn 
wir mit der Absicht hingegangen wären, um jeden Preis ein Deutsches 
Reich zu erreichen, würde man uns nicht haben zumuthen können, daß wir 
im vornehinein dies sagen. Wer wird denn, wenn er ein Haus zu kaufen 
gedenkt, aller Welt sagen, daß er dieses Haus haben muß und wenn der 
letzte Heller darauf ginge! In einem anderen Staate hat man gesprochen und 
wenn ich nicht ganz schlecht unterrichtet bin, so hat man in dem anderen Staate 
eingesehen, daß man mindestens ebenso klug gethan hätte, wenn man nicht 
gesprochen hätte. Aus dem betreffenden Artikel hat Jeder das Seine und 
Jeder zu viel für den Gegner herausgelesen. Bisher war die Entscheidung 
bei uns und wir waren im Rechte, wenn wir die Entscheidung uns bisber 
vorbehielten. Ich meines Theils erkläre, daß ich mir die Handhabung dieses 
Rechtes — nein! dieser Pflicht. — nicht durch Adressen und ähnliche Dinge 
verkümmern lasse. Ueberhaupt ist es mit den Adressen und Demonstratione 
bei uns nachgerade dahingekommen, daß mir scheint, das Mittel ist rer- 
braucht. Man kann die Politik nun einmal nicht von der Gasse machen. 
Sie können vor keiner Regierung Achtung haben, die heute der morgen 
jener Adresse nachgiebt. Was soll es heißen, wenn die Regiermg heute auf 
eine Adresse ein Schulgesetz vorlegen, morgen auf eine andere Adresse es wie- 
der zurückzieben, heute den Präsidenten eines hohen Kolleginms absetzen, 
morgen wieder für Rom eintreten soll? Diese Stellung können Sie keiner 
Regierung zumuthen und ich denke, es darf keine Regierung eine solche 
Stellung sich aufdringen lassen. Jetzt, jetzt steht die Entscheidung bei Ihnen.—
	        
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