Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Ibrg. 613 
unter den vorliegenden Umständen bleiben wir mit dem besseren Gewissen 
außer dem Bunde, wenn man uns wirklich vor die Alternative gestellt hat 
und stellen will, daß wir keine andere Wahl haben, als sie anzunehmen 
eder draußen zu bleiben. Ich habe Sie mit meinem gedruckten Referate 
gewiß nicht in Ueberfluß behelligt, aber das bitte ich mir zu erlauben, daß 
ich Ihnen in der Richtung, die für mich so schwerwiegend ist, nur eine 
einzige Stelle vorlese: „Nachdem der Art. IV des Prager Friedens von 
preußen nunmehr thatsächlich aufgehoben und förmlich gekündet ist, er- 
scheint auch die Ausschließung Oesterreichs aus Deutschland thatsächlich 
al widerrufen. Somit hat Baiern freie Hand, freundschaftliche Beziehungen 
sewohl zu Preußen als zu Oesterreich zu pflegen, und zwar von sich aus 
und unmittelbar, ohne Prokurator. Dies allein entspricht auch seiner Ge- 
schichte und seiner natürlichen Lage mit einer über 135 Stunden sich er- 
fneckenden Grenze gegen Oesterreich. Um aber offen zu sprechen, könnte 
man denn, ohne von einem voreingenommenen Parteistandpunkte auszu- 
zeben, in Wahrheit sagen, daß das Deutschland kein Deutschland wäre, 
wenn innerhalb der Deutschen Nation, die dereinst so lebhaft ventilirte 
Trisidee in der angedeuteten Weise ins Leben träte: Ein Deutscher Kaiser 
mit einer Suite mediatisirter Fürsten, ein wirklicher König in Deutschland 
und der Erzherzog der Deutschen Ostmark?" Sehen Sie, meine Herren, 
dis zu diesem Grade, glaube ich, ist das Großdeutschthum auch heute noch 
möglich. Aber, meine Herren, — ich eile nun zum Schlusse. Sie finden 
in meinem Referate den Satz, daß nach meiner Meinung alle Parteien 
kmin innerlich einig seien, daß die Annahme der vorliegenden Verträge 
un in einen Zwitterzustand hineinbringen würde, der von allen Zu- 
stinden der für uns unerträglichste wäre. Und, meine Herren, was das 
Minoritätsgutachten betrifft, was also die linke Seite des Hauses betrifft, 
se bedarf dieser mein Satz keines Beweises. Das Minoritätsgutachten 
nimmt die Vermäge als ausgiebige Abschlagszahlung an. Das Minoritäts- 
zutachten macht uns den Verwurf, wir hätten durch unsere Unpolitik es 
kabin gebracht, daß Baiern ausgiebigere Konditionen nicht hat bestellen 
kennen. Das Minoritätsgutachten macht uns auch den Vorwurf, wenn wir 
nicht insbesondere dem Herrn Fürsten von Hohenlohe sein Portefeuille 
entleidet hätten, dann hätte Baiern viel bessere Konzessionen bei den Ver- 
dandlungen, vor dem Krieze natürlich, erlangen können. Nun, meine 
Herren, muß es doch auf den ersten Blick auffallen, daß es etwas seltsam 
it, wenn in demselben Athem das Minoritätsgutachten sich in eine ziemlich 
eingehende Kritik der uns durch die Verträge gewährten und noch belassenen 
Kenzessienen einläßt, und wenn es, indem es die Verträge mit der einen 
Hand annimmt, mit der andern — wenn ich so sagen darf — allen diesen 
Ausnahmen. Konzessionen. Sonder= und Ehrenrechten Baierns den Krieg 
erklirt — ich möchte fast sagen, natürlich auf parlamentarischem Boden, den 
Kieg bis auf's Messer. Eben darnm, meine Herren, macht es auf mich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.