620 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
ich habe meine Mittheilungen hierüber aus einer guten Quelle, von einem
Manne, der selbst in diesen Kreisen lebt, und die Sache ist mir auch so
natürlich, daß ich nicht daran zweifle (denn Niemand zahlt gern Steuern,
und die preußischen Konservativen haben bekanntlich die größten Grundbesitzer
in ihrer Mitte, di.e in Folge dessen auch die größten Stcuern zahlen müssen).
Wenn trotz dieses Umstandes die preußischen Konservativen zu der Zeit als
der Konflikt in Preußen bestand, lieber Steuern bezahlten, als zugegeben
haben, daß die Stärke der Armee geschwächt werde, dann, meine Herren,
haben sie sehr gut gewußt, warum sie dieses thaten, und ich glaube, man
ist ihnen Darck dafür schuldig, daß sie die Armeeformation nicht zur Unzeit
haben heruneersetzen lassen: aber es hat Alles seine Zeit, und wenn die Zeit
des Friedens, des gesicherten Friedens kommt, dann wird sich auch die
Herabsetzung der Militärlast auf dem von mir angedeuteten Wege ergeben.
Der Herr Kammersekretär hat auch noch eine Aeußerung des Herrn Grafen
Bis marck angeführt, wonach derselbe sich dagegen aussprach, daß die Bestim-
mungen über Zusammensetzung und Ausdebnung der Armee durch ein jähr-
liches Votum in Frage gestellt werden. Auch diese Aeußerung gehäört der
(Debatte vor Feststellung des jetzigen Art. 60 der Bundesverfassung an.
Aber, meine Herren, ich glaube, der Herr Referent hat auch aus dieser
Aeußerung des Herrn Grafen Bismarck zu viel gefolgert. Bismarck kann
sich gegen ein fährliches Votum über die Friedenspräsenzstärke ausgesprochen
haben, ohne daß er deshalb eine eiserne Militärlast will. Man kann sehr
dagegen sein, daß die Militärorgauisation alle Jahre auf's Neue in Frage
gestellt werde, und ich bin so ehrlich zu gestehen: ich bin auch dagegen; aber
man braucht deshalb nicht eine Formation für alle Zeiten zu machen. Ich
denke mir die Sache so: Wenn im Reichstage das Gesetz zur Berathung
kommt, dessen Feststellung der Artikel 66 vorschreibt, so wird man sich die
Weltlage ansehen. Wenn die Weltlage darnach ist, daß man die Friedens-
präsenzstärke heruntersetzen kann, so wird man dieselbe heruntersetzen und zwar
auf längere Zeit, man wird das Gesetz auf längere Jeit machen. Wenn
aber die Verhältnisse so sind, daß wir ohne Gefahr für die Landesvertheidi-
gung ren der alten Friedenspräsenzstärke zur Zeit nicht abgehen können, dann
wird man zwar die alte Friedenspräsenzstärke in das neue Gesetz wieder aufneh-
men, man wird aber dann das Gesetz wieder auf kurze Zeit machen, damit
man in Bälde wieder Gelegenbeit hat zu prüfen, ob nicht inzwischen die
Zeit gekommen sei, daß sich eine Abminderung vornehmen läßt. Wenigstens
glaube ich, wenn der Reichstag so verfährt, wird er das richtige Verfahren
eingeschlagen haben. Der Herr Referent meint nun weiter, wenn auch die
Interpretation des Art. 60, die ich gegeben habe, richtig wäre, wer würde die
preußische Bundeserecutirgewalt irgendwie hindern können, wenn sie sich über
die Bestimmungen des Anrtikel 60 binwegsetzen will. Nun, meine Herren,
in der Beziehung habe ich doch eine bessere Meinung von der Bundesereru-
tivgewalt, nicht blos von ihrem guten Willen, sondern auch von ihrem poli-
tischen Verstande. Wenn man soeben erst ein neues Reich, einen Bundes-