Völk. 661
ohne Waffen zu versammeln.“ Das Vereinsgesetz geht soweit, daß nicht
einmal Einer, der von Alt-Ulm nach Neu-Ulm kommt, einer baierischen
Vereinsversammlung beiwohnen oder gar sprechen darf. Ja, wie frei das
Vereinswesen ist in Baiern, das habe ich an meinem eigenen Leibe erfahren.
Es war zur Zeit, als die Wogen der Schleswig-Holstein'schen Sache hoch-
gingen. An einem Abende hatten in Angsburz etliche fünfzig der notabelsten
und reichsten Leute ihre gesammte Jahressteuer als Beitrag für Schleswig-
Holstein'sche Zwecke gezeichnet, am andern Tage wurden mir 18,000 fl. einge-
liefert und weil wir sie in Augeburg nicht verwenden konnten, wurde das Geld
an jenes Organ geschickt, welches unterdessen die deutsche Abgeordneten-
rersammlung in Frankfurt eingesetzt hatte, den Sechsunddreißiger-
Ausschuß. Das ist die Thatsache. Wissen Sie, was nun geschah? Nach-
dem bekannt war, daß wir unsere 18,000 fl. dem Sechsumddreißiger-Ausschusse
überschickt hatten mit der Zweckbestimmung für die Schleswig-Holstein#'sche
Sache, ist uns ein Reskript insinuirt worden, daß unser Verein, weil er das
Gesetz über Affiliation, das Verbot der Affiliation mit anderen Vereinen,
übertreten habe, auf gelöst sei. Ich habe dagegen Beschwerde erhoben beim
Ministerium, ich habe die Gutachten von Staatsrechtsprofessoren verschiedener
Fakultäten vorgelegt, wornach es beinahe lächerlich genannt wurde, einen Akt
der Affiliation darin zu sehen, daß man dem Organe des Deutschen Abgcord-
netentages einfach das Geld übersendet habe. Was hat das geholfen? Der
Verein wurde auch vom Ministerium aufgelöst und der baierische Staatsrath
bat das Dekret bestätigt. Wo solche Dinge möglich sind, meine Herren, und
wo man dann noch zaudert, Anträgen auf Erweiterung der Vereinsfreiheit
zuzustimmen, muß man nicht davon sprechen, daß man in Baiern mehr
Freiheiten habe als anderswo. Das wäre im Nordbunde nicht passirt. Die
Presse, meine Herren! Es besteht aber heute noch dasselbe Preßgesetz,
welches es seiner Zeit dem Herrn Grafen v. Reigersberg möglich gemacht
dat, den „Nürnberger Kurier" zu Tode zu konfisziren, und wenn gewisse Blätter,
welche von Herrn Dr. Sepp bezeichnet worden sind, nicht auch zu Tode
konfiezirt worden sind, danken sie es nicht dem baierischen Preßgesetze, nein,
danken sie es der milden Auffassung von Seite der Staatsregicrung. Die-
senigen Herren, welche einer freieren Entwickelung der Preßgesetzgebung, wenn
ein Antrag gestellt wird, entgegentreten, haben sie denn ein Recht, sich
darauf zu berufen, daß wir in Baiern Freiheiten aufgeben, die wir anderswo
nicht wieder erhalten? Wenn die Vertreter der gesammten Deutschen Nation
im Deutschen Reichstage eine Aenderung des Preßgesetzes beantragen, haben
Sie dann einen Zweifel daran, daß ein anderes Preßgesetz nicht kommen
wird als ein solches, in welchem die Geschworenen die Grundlage der Judi-
katur bilden! Hätten Sie den Zweifel, daß die Deutsche Nation einmal
einen Reichstag schicken könne, welcher das nicht will, so würden Sie die
Deutsche Nation dadurch für unwerth erachten, jemals in den Reichstag zu
wählen. Dech Sie zweifeln selbst nicht daran und was die Gewalt und