Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

746 Baiern. Kammer der Abgeordueten. 
Zeitumstände, welche diese Folge nach sich ziehen werden. Es ist gar nicht 
daran zu denken, daß ein Etatsgesetz in dieser Zeit irgend einen Anstaud 
haben soll. Aber, meine Herren, auch für spätere Zeiten scheint mir die 
Frage von so großer praktischer Wichtigkeit gar nicht zu sein, und zwar ans 
dem Grunde, weil es sich ja doch immer für Preußen um die Erhaltung 
einer Wehrorganisation handelt, welche in Bezug auf das Etatsgesetz nur 
einen verhältnißmäßig geringen Spielraum gibt. Ich habe in meinem Re- 
ferate eine längere Stelle abgedruckt, welche ron dem Herru Grafen v. Bis- 
marck herrührt. Man hat auf diese Stelle bisher keine Rücksicht geuominen. 
Der Herr Graf v. Bismarck sagt in dieser Stelle mit kurzen Worten: 
„Nun, meine Herren! Es ist Ihnen ja gestattet, Ihre parlamentarischen 
Rechte auf rerschiedenen Gebieten geltend zu machen:; aber hüten Sie sich, 
an dem Militäretat viel herum zu parlamenteln.“ Das steht eigentlich 
drinnen und der Herr Graf Bismarck hat ohne allen Zweifel ganz recht. 
Ich habe hier einen Commentar des Verfassungsrechtes des Norddeutschen 
Bundes und des Zollvereins von Thudichum in der Hand. In diesem Com- 
mentare finde ich eine Stelle von dem Herrn Abg. Gneist. Derselbe hat 
gesagt: „Wer die allgemeine Wehrpflicht hochhält, der muß verzichten ohne 
Rückhalt, ohne Vorbehalt auf die Möglichkeit, durch variable Jahresbeschlüsse 
in dieses Gesammtgebilde einzugreifen." Der Herr Thudichum hat auch 
selbst bezeugt, daß im verfassungsgebenden Reichstage „von einem Theile der 
liberalen Partei selbst geltend gemacht ward, daß ein solcher Fall, nämlich 
das Nichtzustandekommen des Etatsgesetzes, wohl sicher nicht eintreten werde; 
denn sei die Präsenzstärke und die Organisation durch ein Gesetz festgestellt, 
so bleibt dem Reichstage hinsichtlich der Bewilligung der Militärausgaben 
kein so großer Spielraum, daß durch etwaige Abstriche das Heereswesen des 
Bundes Schaden leiden könnte.“ Darum, meine Herren, sage ich in dem- 
selben Sinne: die Frage wird für jetzt und gar nicht unwahrscheinlich auch 
für längere Jahre gar nicht praktisch werden. In Bezug auf die rechtlichen 
Auseinandersetzungen aber sind mir doch immer noch einige Zweifel geblie- 
ben, und die mochte ich hier in Kürze vortragen. Ich habe mich gegenüber 
gestellt der Behauptung des Minoritätsgutachteus, welches beweisen will, daß 
eine Erleichterung der Militärlast allerdings in der Macht des Reichstags 
liege. „Denn vom 31. Dezember 1871 an wird die Stärke der aktiven Armee 
durch Bundesgesetz festgestellt, und wenn auch nach Art. 62 die 225 Thlr. 
per Kopf von den Einzelstaaten inzwischen fortbezahlt werden müssen, so 
gehört doch zur Verausgabung der Gelder ein Etatsgesetz, und hat daher der 
Reichstag sowohl in Bezug auf die Friedenspräsenzstärke des Heeres, als auf 
die Leistungen hiezu, es in der Hand, wie weit er gehen will.“ Sie sehen, 
meine Herren, diese Aufstellung theilt sich in zwei Theile. In Bezug auf 
die Friedenvstärke, sagt Herr Dr. Marg. Barth, habe der Reichstag die 
besagte Befugniß in der Hand. Nun ist es ganz unzweifelhaft, daß der 
Art. 60 ein Militärgesetz vom 31. Dezember 1871 an vorschreibt. Es ban-
	        
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