754 Baiern. Kammer der Abgeordneten.
seelt, und haben nach oben gewiß ein Herzensgebet gerichtet, diejenige Ent-
scheidung treffen zu können, die dem Lande einzig und allein fremmt. Und,
meine Herren, diese Entscheidung ist getroffen worden. Ich glaube, eine
höhere Hand hat über unsere Abstimmung damals gewacht, und sie hat es
recht gemacht. In ähnlicher Lage, meine Herren, befinden wir uns auch
jetzt. Die Frage, die uns vorliegt, ist so hochwichtig, daß abermals die
Parteiunterschiede weit hinter dieselbe zurücktreten. Sehen Sie, meine Herren,
wenn man auf jener Seite des Hauses in der uns vorliegenden Frage vom
Parteistandpunkte ausginge, was müßte geschehen? Mit einigen kühlen Be-
merkungen müßte man sich abfinden, man würde sich nicht die Mübe geben,
alle Gründe darzulegen bis ins Kleinste hinein, die zur Annahme der Ver-
träge führen müssen. Denn wenn man vom Parteistandpunkte ausginge,
so würde ja gerade die Verwerfung der Verträge den Parteizweck der
Fortschrittspartei fördern. Und, meine Herren, was geschieht auf unserer
Seite? Es ist kein Geheimniß mehr, daß eine große Zahl vou uns in dieser
Frage, so schwer es sie ankommen mag, von ihren bisherigen Gesinnungs-
genossen sich treunen, von ihrem Standpunkte aus für diese Verträge stimmen
und sprechen muß. Meine Herren! Ich konstatire diese Thatsache nur zu
dem Zwecke, um die Bitte daran zu knüpfen, daß diese Frage doch fortan
wie bisher nicht vom Parteistandpunkte aus aufgefaßt werden möge, daß man
nur die Sache selbst, nicht die Person des Redners ins Auge fasse, nur die
Gründe, die vorgebracht werden, abwäge, und daß nur auf das gesehen
werden möge, was gesagt wird, und nicht, wer es sagt. Daran, meine
Herren, muß ich aber zugleich eine andere Bitte knüpfen. Wenn auch ich
in die Sache eintrete, so fühlt Niemand mehr, wie schwer es ist, nach so
ausgezeichneten Rednern und Reden die Aufmerksamkeit dieses hohen Hauses
auch noch einigermaßen in Anspruch zu nehmen, und da Wiederholungen
kaum zu rermeiden sind, so muß ich doppelt um Ihre Nachsicht bitten. Nun,
meine Herren, es wurde gestern, im Verlaufe dieser Tage schon öfter, von
jenem übermächtigen Zuge gesprochen, der die ganze Völkergeschichte des
neueren GEuropa beherrscht, von einem Zuge, große Staatengruppen, große
Staateneinheiten zu bilden. Meine Herren! Dieser übermächtige und un-
überwindliche Zug ist durch tausenderlei Gewichte zusammengefügt. Die
Hauptgewichte sind aber gewiß die Verallgemeinerung der geistigen wie der
materiellen Interessen und vor allem die Verkürzung von Raum und Zeit
durch die bekannten großen Erfindungen unserer Zeit. Schon der alte Nie-
buhr, meine Herren, ein feiner Kenner alter kulturgeschichtlicher Verhältnisse,
prophezeite von der Einführung der Eilwagen und der Diligencen eine voll-
ständige Umwandlung aller materiellen und social-politischen Verhältnisse.
Was würde dieser Mann gesagt haben über die nothwendige Wirkung un-
serer Eisenbahnen und Telegraphen? Nach dieser Richtung hin — würde er den
kleinen Staaten auch nur eine derartige Lebensfähigkeit zugesprochen haben,
welcher sie bisher noch sich erfreut haben? Meine Herren! Dieser Zug nach