Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Erster Band. (1)

538 Ernst Rabel. 
zuzulassen und auszulegen. Das Rückgrat dieser wegen ihrer mannigfachen Verästelung nicht 
kurz darstellbaren Lehren bildet aber eine Anzahl älterer Typen. Zum Teil zeichnen sich die- 
selben durch ihren juristischen Charakter aus, z. B. 1 die für die Juristen höchst schwierigen 
Vermächtnisse an alternativ bestimmte Bedachte?; Vindikationslegat mehrerer Sachen zur 
Auswahl mit ausdrücklichem Legat „des Wahlrechts“ (optio legata) als einer persönlichen 
Befugnis; Vermächtnis einer Gattung (genus legatum), aus der der Erbe wählen darf, als 
Vindikationslegat natürlich nichtig, wenn im Nachlaß keine der Gattung angehörige Sache 
ist 3; Vermächtnis eines Schulderlasses (liberatio legata) usf. Noch wichtiger sind aber die durch 
den wirtschaftlichen Zweck des Gegenstands und der Zuwendung typisch festgelegten Legate: 
z. B. des Weinvorrats, des Goldes und Silbers, des Holzes. Insbesondere folgen Sonder- 
begriffe aus dem Bedürfnis des Testators, seine Angehörigen, namentlich die Witwe", zu ver- 
sorgen mit Legaten des Nießbrauchs; des Gebrauchs und Wohnrechts; von Renten (annus 
D. 33, 1), speziell Alimenten (D. 34, 1); des Frauenschmucks und der sonstigen Frauensachen 
(uxoris causa parata, Paul. 4, Ulp. 22 ad Sab.) sowie des Vorrats an Lebensmitteln (penus, 
ebd.) — jenes der Gerade, dieses dem Mußteil entsprechend, die nach deutschen Rechten von 
Rechts wegen der Witwe gebühren 5. Es hat auch einen Zweck, der Frau ihre Mitgift zu 
hinterlassen (dos relegata, D. 33, 4). Der Vater vermacht der Tochter unter Enterbung ihre 
Mitgift (Pap. D. 31, 77, 9), der Gewalthaber vermacht das peculium uff. 
Nach der Auffassung der Sabinianer war das Leg. per praeceptionem stets ein Voraus- 
vermächtnis an einen Miterben, „Prälegat“ "; die Hauptform dafür ist es geblieben, ohne daß 
es immer diese Bedeutung haben muß und neben beliebigen anderen Formen der Legate oder 
Fideikommisse. Das praelegare ist ungültig, soweit es auf den eigenen Erbteil des Bedachten 
fällt (§ 129). Aus dieser vermeintlichen logischen Wahrheit soll sich praktisch wohl nur ergeben, 
daß der Miterbe, was er erhält als Erbe, nicht als Legatar empfängt, doch folgen daraus im 
Verein mit anderen Grundsätzen höchst seltsame und berüchtigte Konsequenzen. Ist z. B. 
ein Grundstück dem auf elf Zwölftel eingesetzten Erben A. und dem auf ein Zwölftel einge- 
setzten B. zusammen mit Vindikationslegat hinterlassen, so fallen dem A. ein Zwölftel, dem 
B. elf Zwölftel zu (Ulp. D. 30, 34, 12). 
Besondere Bedeutung haben die Vermächtnisse von Nachlaßquoten. Schon in der 
Republik wurde das Legat dazu verwendet, um Frauen trotz der Lex Voconia mit Nachlaß- 
teilen zu bedenken. Dieses Legatum partitionis ist noch den Klassikern bekannt, viel wich- 
tiger ist ihnen aber das Fideicommissum hereditatis, Universalfideikommiß der ganzen oder 
teilweisen Erbschaft, das sich vielseitig verwenden läßt, da das Fideikommiß auch einer erst nach 
dem Tode des Erblassers geborenen oder empfangenen Person zugewendet werden kann. Mehr- 
fach hat sich die Gesetzgebung mit der Fortbildung dieses Gesamtvermächtnisses beschäftigt, 
doch in wenig glücklicher Weise. Das SC. Trebellianum a. 56 will den Empfänger des Ver- 
mögens oder Teiles in die Stellung eines Erben oder Miterben gegen Dritte bringen (herecis 
loco). Das SC. Pegasianum (69—79. n. Chr.) will den Universalfideikommissar aus der Un- 
selbständigkeit befreien, daß seine Klage vom Erbantritt des beschwerten Erben abhängt, bietet 
letzterem die Falcidische Quart an und läßt ihn bei Widerspenstigkeit zum Antritt der Form 
halber zwingen. Dabei wird aber ein Stück vom Fortschritt des 8C. Trebellianum wieder 
1 gür die allermeisten Einzelheiten bleibt Ferrini, Teoria, unübertroffen; bal. frühere 
Lit. Über die verbotenen Legata poenae nomine relicta zuletzt Marchi, Bull. 2 
Francisci, Saggi rom. (1913) 51. Über das Legat des nackten Eigentums — 
Mél. Girard 5 331. 
* Bernstein, ZöSavst. 4, 177, noch von Ferrini 171 zugrundegelegt, bedarf heute 
der teptkritischen Nachprüfung. 
Für das Damnaiionskigat Ulp. D. 30, 71 pr. mit bestrittener Tragweite: nichtig nur inso- 
fern derisorisch? 
"Esmein, Nouv. rev. 8, 1; zum Leg. penus Siber, ZSavt. 29, 90. 
5 v. Woeß, Erbrecht 63 f. 
* Gegen Bernstein, 8 Sav St. 15, 26 f. Ferrini, Bull. 8, 1 = Glück, Comm., 30 
bis 32, 1, 916. — Uber die Orgien der Spitzfindigkeit in dieser Lehre De nburg , Pand. 
88 116 f.; Ferri ni, Pand. 822 u. Zit.; Kohler, Arch Ziv Prax. 91, 347 („punische Scholastik“; 
sehr treffend betrachtet er das Präzeptionslegat als entstanden aus elterlicher Teilung); Kübler, 
ZSavSt. 28, 179.
	        
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