Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Erster Teil: Die deutsche Geschichte bis zum westfälischen Frieden. (1)

Matthias 1612—1619. 97 
er den evangelischen Ständen dieses Landes (den Herren, Rittern 
und Städten) 1609 durch einen sogen. Majestätsbrief völlige 
Religionsfreiheit und durch einen besondern Vergleich auch den In- 
sassen königlicher Güter das Recht zusicherte, protestantische Kirchen 
und Schulen zu errichten. Aber schließlich verlor Rudolf auch die 
Krone Böhmens, so daß ihm nur noch die Kaiserwürde übrig blieb; 
er starb, von allen verlassen, 1612. Ihm folgte jetzt auch im deutschen 
Reiche Matthias. 
4. Der dreißigjährige Krieg 1616—1648. 
Ausbruch und Bedenutung des Krieges. Matthias 1612 
bis 1619. Klostergrab und Braunau.] Matthias war ebenfalls 
kinderlos und verschaffte daher seinem Vetter Ferdinand von Steier- 
mark die Nachfolge in Böhmen und in Ungarn. Die protestantischen 
Stände Böhmens waren mit der Wahl dieses streng katholischen Fürsten 
keineswegs einverstanden, um so weniger, als er nach seiner Krönung 
sofort die Gegenreformation durchzuführen begann und die prote- 
stantischen Beamten möglichst zu beseitigen suchte. Die Empörung kam 
zum Ausbruch, als der Erzbischof von Prag und der Abt von Braunau 
die auf ihren Gebieten errichteten utraquistischen Kirchen zu Kloster- 
grab und Braunau (1614) der Benutzung entzogen. Denn nach 
böhmischer Auffassung gehörten zu den im Vergleiche genannten 
königlichen Gütern auch die geistlichen Güter. Da der Abt von Braunau 
die Kirche in Braunau schließen und der Erzbischof von Prag (Ende 
1617) die in Klostergrab niederreißen ließ, faßten die protestantischen 
Stände dies als einen Bruch des Majestätsbriefes auf, warfen 1618 
die verhaßten Statthalter, die Grafen Släwata und Märtinitz, 
sowie den Sekretär Fabrizius zum Fenster des Hradschinu) (des 
Prager Schlosses) hinaus und setzten eine eigene, aus 30 Direktoren 
bestehende Regierung ein. Während man sich auf beiden Seiten zum 
Kampfe rüstete, starb Kaiser Matthias 1619. 
[Ferdinand II. 1619—1637. Bedeutung des Krieges.] 
Der religiöse Eifer Ferdinands II., der persönlich wohlwollend war, 
trug wesentlich dazu bei, den jetzt unvermeidlich gewordenen Krieg zu 
einem so langen und schrecklichen zu machen; ja aus dem deutschen 
  
1) Hradschin ist dasselbe Wort wie Gratz, Gartz, (Bel)grad usw. — latein. 
hortus — deutsch Garten und bedeutet Burg. 
Jaenicke, Deutsche und brandenburg.-preuß. Geschichte. I. 10. Aufl. 7
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.