Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Erster Teil: Die deutsche Geschichte bis zum westfälischen Frieden. (1)

Heinrich IV. 1056—1106. 45 
Macht über die kaiserliche zuerheben. Schon im Dienste seiner 
Vorgänger trat er an die Spitze der kirchlichen Reformpartei, die in 
Clugny ihren Mittelpunkt hatte. Er war auch einer der einflußreichsten 
Ratgeber des Papstes Nikolaus II., der 1059 Adel und Volk von 
Rom von der Papstwahl ausschloß, das kaiserliche Bestätigungsrecht 
(s. 5 31 am Ende) bestritt und die Päpste allein durch die sogenannten 
Kardinälet), d. h. die Bischöfe, Priester und Diakonen der römischen 
Hauptkirchen, wählen ließ. Um dieselbe Zeit wurde unter Hildebrands 
Einfluß bewirkt, daß die Normannen in Unteritalien und Sizilien?) 
den Papst als ihren Lehnsherrn anerkannten und ihm ihre Kriegshilfe 
zusicherten. Nachdem Gregor den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, erließ 
er die schärfsten Bestimmungen gegen die Simonie und die Priester- 
ehe und verbot die Laieninvestiturss), d. h. die Bekleidung der Geist- 
lichen (Bischöfe und Abte) mit den Abzeichen der geistlichen Gewalt (Ring 
und Stab) durch den König oder andere weltliche Landesfürsten. 
Hätte Heinrich diesem letzten Verbote stattgegeben, so würde er 
alle Gewalt über die sehr ausgedehnten und wertvollen Kirchengüter 
(§ 30) verloren haben, und es wäre mitten im deutsch-römischen Reiche 
ein selbständiger Kirchenstaat geschaffen worden. Er beschloß daher, 
sich dem Papste nicht zu fügen, und berief 1076 eine Synode nach 
Worms, die Gregors Absetzung aussprach. Gregor antwortete aber 
mit dem Bannufluche gegen Heinrich und erklärte, er wolle die letzte 
Entscheidung der Angelegenheit vom Beschlusse der Fürsten abhängig 
machen. Diese bestimmten auf einer Versammlung in Tribur bei 
Mainz, daß der König sich als Gebannter aller Reichsgeschäfte zu ent- 
halten habe und als abgesetzt anzusehen sei, wenn er nicht spätestens 
innerhalb eines Jahres vom Banne gelöst sei. So eilte denn Heinrich 
im strengsten Winter, von seiner Gemahlin, seinem Söhnchen und 
mehreren Getreuen begleitet, über den Mont Cenis nach Kanossa, 
einem Schlosse der päßpstlich gesinnten Markgräfin Mathilde von 
Toskana;j hier hielt sich Gregor VII. auf, und hier erfolgte 1077 nach 
dreitägiger Buße Heinrichs Lösung vom Banne. 
1) Vom latein. cardeo Türangel, Hauptträger (der Kirche). 
2) Die Normannen hatten sich schon seit 1016 in Unteritalien niederge- 
lassen; ihr Führer Rainulf wurde (1038) vom Kaiser Konrad II. mit der Graf- 
schaft Aversa in Kampanien belehnt, und seit dieser Zeit setzten sie sich im Kampfe 
gegen Griechen und Araber allmählich in den Besitz der früheren byzantinischen 
Landschaften von Italien. 
3) Investitur vom latein. investire bekleiden. 
 
	        
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