Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Erster Teil: Die deutsche Geschichte bis zum westfälischen Frieden. (1)

64 Rückblick. 
Rechtspflege. Die eigenen Gemeindeangelegenheiten, besonders die 
Marktpolizei und die Steuer, ordnet ein Rat mit dem Bürger— 
meister (magister civium oder consul) an der Spitze. Die be— 
deutenderen Städte erwerben dann allmählich immer mehr Rechte 
und Freiheiten und vor allem die Vogtei und das Schulzenamt. 
Die Bürger bestehen a) aus Patriziern oder Geschlechtern, 
d. h. freien ritterbürtigen Grundbesitzern und Großkaufleuten, b) aus 
den übrigen freien Kaufleuten und c) aus ebenfalls freien Hand- 
werkern. Bald erhoben sich zwischen diesen Ständen, die sich in 
Genossenschaften zusammentaten!), die heftigsten Kämpfe, ähnlich 
wie in Rom zwischen Patriziern und Plebejern. Auch hier handelte 
es sich hauptsächlich um einen Anteil am Stadtregiment oder Rate, 
dessen Besetzung die Geschlechter ursprünglich für sich allein in An- 
spruch nahmen?). 
5. Die Bauern hatten nur noch in der Schweiz, in Teilen von 
Schwaben und Westfalen und in Friesland Freiheit und Eigentum 
bewahrt. Hier stehen sie unmittelbar unter dem Keiser, der seine 
Rechte durch einen Landvogt ausübt; im ganzen übrigen Deutschland 
sind sie irgendeinem Grundherrn untertänig, dem sie zu bestimmten 
Abgaben und Diensten verpflichtet sind. 
6. Das Gerichtswesen ist noch das alte. Der König zieht als 
oberster Gerichtsherr die wichtigsten Prozesse vor sein Hofgericht, aber 
eine ähnlich ausgedehnte Gerichtsbarkeit üben auch die Fürsten in ihren 
Gebieten aus. Die Volksgerichte unter Vorsitz des Grafen und mit 
der Verpflichtung der Teilnahme aller Freien, sowie die Schöffen- 
gerichte unter Vorsitz des Schultheiß bestehen fort. Das in den ein- 
zelnen Landschaften herrschende Gewohnheitsrecht schrieb man schon früh 
auf, und im 13. Jahrhundert entstanden die ersten großen Rechtsbücher, 
der Sachsenspiegel und der Schwabenspiegel. Jenes kam 
hauptsächlich in Norddeutschland, dieses in Süddeutschland in Ge- 
brauch; jenes enthält noch die echt deutschen Rechtsanschauungen, 
während dieses von Süden her schon durch das römische Recht 
beeinflußt ist. 
  
1) Die Patrizier in Trinkstuben oder Lauben, die Kaufleute in Gilden 
und die Handwerker in Zünfte oder Innungen. 
2) Ubrigens erwarben viele Leute von außerhalb das Bürgerrecht einer 
Stadt, um sich der Hörigkeit ihres Herrn zu entziehen; solche Bürger hießen 
Pfahlbürger.
	        
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