Die Reformation bis zum Reichstage in Augsburg 1530. 87
eines Ritters Georg und begann seine verdienstvolle Bibelüber—
setzung, die er 1534 vollendete. Von den meisten für tot gehalten,
erschien er 1522 plötzlich in Wittenberg, um den allzu weitgehenden
Neuerungen Karlstadts und der sogen. Zwickauer Propheten, der
späteren Wiedertäufer!), mit Erfolg entgegenzutreten. Von jetzt an
stand ihm niemand so hilfreich zur Seite, wie der junge Gelehrte
Philipp Melanchthon (Schwarzert) aus Bretten in der Rheinpfalz,
seit 1518 in Wittenberg; er ist der bedeutendste Förderer der Refor-
mation und wurde in humanistischen Kreisen als der „Lehrer Deutsch-
lands“ (praeceptor Germaniae) gefeiert.
[Für und wider Luther.] Wie stellten sich nun die einzelnen
Reichsstände zur Reformation?
1. Die Fürsten. Für die Reformation erklärten sich: der Kur-
fürst von Sachsen (1525—1532 Johann der Beständige, Friedrichs
Bruder); der Landgraf von Hessen (Philipp der Großmütige); die
Herzöge von Braunschweig und Mecklenburg; der Fürst von
Anhalt; die Grafen von Mansfeld; der Herzog von Preußen
(seit 1525 Albrecht von Brandenburg 2). Dagegen blieben bei der
alten Lehre: Kurfürst Joachim I. von Brandenburg; die Herzöge
von Bayern und Sachsen sowie die geistlichen Fürsten.
2. Die Reichsritter. Die meisten Reichsritter erklärten sich
für die Reformation, erstrebten aber nicht bloß eine vom Papste un-
abhängige deutsche Kirche, sondern auch ein mächtiges Kaisertum,
in dem sie selbst allen Einfluß erhalten, die Fürsten dagegen beseitigt
werden sollten. Ihre Pläne scheiterten aber an dem Widerstande, den
alt= und neugläubige Fürsten leisteten, und ihre Hauptführer Franz
1) Diese Leute, griech. Anabaptisten, d. h. Wiedertäufer, genannt, hatten
hussitische Ideen bewahrt und wurden durch Luthers Auftreten zu neuem Leben
erweckt. Sie behaupteten, Gott kündige ihnen durch Stimmen an, was sie, auch in
weltlichen Dingen, zu tun hätten, und der heilige „Geist“ lenke ihre Beschlüsse.
Sie verwarfen die Kindertaufe und die wissenschaftliche Bildung und forderten
zum Ungehorsam gegen die Obrigkeit auf. Karlstadt, der sich ihnen anschloß,
schaffte die Messe ab, führte das Abendmahl unter beiderlei Gestalt ein und predigte
gegen den Zölibat der Geistlichen und gegen die Bilder in den Kirchen. Manche
seiner Neuerungen blieben zwar bestehen und fanden weitere Verbreitung, aber
damals erregten sie Argernis, und dagegen wandte sich Luther. Die Aufrührer
verließen die Stadt, und die Ordnung kehrte zurück.
2) Auf Luthers Rat hatte der deutsche Hochmeister Albrecht den Ordensstaat
Preußen säkularisiert (von saeculum), d. h. verweltlicht, und in ein Herzog-
tum verwandelt.