Die Reformation bis zum Religionsfrieden 1555. 89
erhielt jetzt die „evangelische Kirche“ ihre feste Ordnung in Lehre
und Kultus: die geistlichen Güter wurden eingezogen und zu welt—
lichen Zwecken, namentlich Schulen, verwendet; die Klöster entvölkerten
sich, und Mönche und Nonnen traten oft sogleich in den Ehestand,
1525 auch Luther mit der frühern Nonne Katharina von Bora;
der evangelische Landesherr übernahm zu den übrigen Hoheitsrechten
auch die Stellung eines obersten Bischofs in seinem Gebiete. Kaum
hatte aber Karl V. gegen seine äußeren Feinde einige Erfolge erzielt,
als er seinem Bruder Ferdinandt) die Weisung gab, 1529 auf
einem zweiten Reichstage zu Speier den Beschluß vom Jahre 1526
wieder abzustellen und der Reformation Einhalt zu tun. Die Mehr-
zahl der Stände stimmte dem entsprechenden Vorgehen Ferdinands
wirklich bei, aber 6 evangelische Fürsten und 14 Städte protestierten
dagegen und beriefen sich auf ein künftiges Konzil. Von diesem
Einspruche erhielten die Evangelischen späterhin auch den Namen
Protestanten.
[Die Augsburger Konfession 1530.] Im folgenden Jahre,
1530, erschien Karl V. selbst, nachdem er über alle äußeren Feinde
gesiegt und vom Papste zu Bologna [bolônja] die Kaiserkrone empfangen
hatte, auf dem Reichstage zu Augsburg. Hier überreichten ihm
die Protestanten das von Melanchthon verfaßte Augsburger Bekenntnis
(con fessio Augustäna), in dem sie ihren kirchlichen Standpunkt
in bestimmter Weise kundgaben, während Karl V. durch Eck und
andere Theologen eine Widerlegungsschrift (conkutatio) anfertigen
ließ, in der der alte Glaube und die alten Gebräuche verteidigt wurden.
Die darauf folgende Apologie (d. i. Verteidigungsschrift) Melanchthons
nahm der Kaiser gar nicht an, sondern setzte vielmehr den Beschluß
durch, daß die Protestanten bis zum 15. April k. J. sich zu unter-
werfen hätten. Diese schlossen aber noch Ende 1530 zu Schmal-
kalden ein Schutz= und Trutzbündnis gegen den Kaiser und die
katholische Ubermacht.
Die Reformation bis zum Religionsfrieden 1555. Nürn-
berger Religionsfriede 1532. Weitere Fortschritte der Pro-
testanten.] Zum Kriege zwischen Protestanten und Katholiken kam
es vorderhand noch nicht, weil Karl V., abermals durch die Türken
gefährdet, 1532 im Nürnberger Religionsfrieden den für die
1) Ferdinand hatte schon 1521 die deutsch-habsburgischen Länder und
1526 auch Anspruch auf Ungarn und Böhmen (s. § 58) erhalten.
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