Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Zweiter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte bis zum Tode Friedrichs des Großen. (2)

60 Friedrich Wilhelm I. 
schwedisches Heer unter General Lewenhaupt zurückgelassen war, 
mächtige Kriegsanstrengungen gemacht. Er hatte Ingerman- 
land in Besitz genommen und 1703 in den Sumpfgegenden der 
Newa seine neue Hauptstadt St. Petersburg angelegt. Als 
nun Karl XII. aus Sachsen herbeizog, erwartete man allgemein, 
er werde sich sofort gegen die baltischen Provinzen wenden. Dies 
tat er aber nicht, sondern er ließ sich durch den Kosaken-Hetmann 
(d. i. Heerführer) Mazeppa zu dem unglücklichen Zuge in die 
Ukraine lukreine] überreden, um nachher Moskau zu nehmen 
und den Zaren im Herzen seines Landes zu demütigen. Der Plan 
mißlang aber vollständig. Die Schweden sahen sich von den 
Kosaken, die ihrem Hetmann untreu wurden, dagegen an Peter 
festhielten, fortwährend angegriffen und hatten überdies in dem 
kalten und unwirtlichen Steppenlande furchtbar zu leiden. Lewen- 
haupt erreichte zwar von Norden her den König, aber erst nach 
dem Verluste einer Schlacht, die ihm die Russen geliefert hatten. 
Trotzdem setzte Karl XII. seinen Marsch bis Pöltawa fort. Er 
belagerte die Stadt mehrere Monate lang vergeblich und wurde 
dann 1709 von der dreifachen übermacht Peters des Großen 
entscheidend geschlagen. Er selbst rettete sich verwundet mit 
2000 Reitern auf türkisches Gebiet. 
[Karl XII. in der Türkei 1709—1714.] Karl XII. 
wollte nicht als besiegter Feldherr ohne Heer heimkehren, sondern 
ließ sich als Gast des Sultans in dem Dorfe Warnitza bei Bendéär 
nieder und reizte die Türken zu einem Kriege gegen die Russen 
auf. Der Zar geriet hierbei (1711) am Pruth in eine so ver- 
zweifelte Lage, daß er sich zu einem Frieden herbeilassen mußte, den 
Karl vergeblich rückgängig zu machen suchte. Gleichwohl war er 
nicht zu bewegen, das Land zu verlassen. Sein Lager wurde daher 
gestürmt und in Brand gesteckt, er selbst von den Janitscharen!). 
gefangen genommen und nach Demotlka bei Adrianopel gebracht. 
Erst als man ihm meldete, seine Besitzungen in Deutschland seien 
in fremde Hände übergegangen und Schweden beabsichtige einen 
Reichsverweser zu ernennen, verließ er die Türkei und langte nach 
einem vierzehntägigen Ritte durch Ungarn und Deutschland plötzlich 
vor Stralsund an. 
  
1) Die Janitscharen (Jenischeri, d. h. neue Truppe) waren das 
aus aller Herren Länder zusammengebrachte vorzügliche Fußvolk der Türken.
	        
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