Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Zweiter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte bis zum Tode Friedrichs des Großen. (2)

Friedrich Wilhelm J. 67 
stoffe. Andrerseits durfte z. B. keine Wolle ausgeführt werden, da— 
mit die märkischen Tuchfabriken emporblühen konnten, und in der 
Tat erwarben sich die blauen Tuche Berlins nicht bloß in Europa, 
sondern zum Teil auch in Asien einen gewissen Ruf. Die Ab— 
schließung von England, Frankreich und Holland erschien um so mehr 
geboten, als diese Länder infolge ihrer älteren Kultur in den meisten 
Gewerben leistungsfähiger waren. Dagegen schloß er z. B. mit 
Rußland und Schweden günstige Handelsverträge. Die zahlreichen 
wirtschaftlichen Verbesserungen, verbunden mit einer überaus spar— 
samen und vortrefflichen Finanzverwaltung hatten zur Folge, daß 
der König trotz der großen Ausgaben für das Heer nicht bloß die 
von seinem Vater übernommene bedeutende Staatsschuld tilgen, 
sondern am Ende seiner Regierung auch noch einen Schatz von 
27 Millionen Mark zurücklegen konnte. 
Kunst und Wissenschaften. Für Kunst und Wissen— 
schaften tat Friedrich Wilhelm so gut wie nichts, weil sie keinen 
unmittelbaren praktischen Nutzen zu bringen schienen. Selbst die 
Akademie zu Berlin ließ er fast ganz eingehen, zumal da er einen 
zwar gelehrten aber unwürdigen Mann, Paul Gundling, den 
er als Hofnarren behandelte, zu ihrem Präsidenten erhob. Nur das 
Volksschulwesen, dessen eigentlicher Begründer er gewesen ist, 
lag ihm am Herzen, denn er führte (1717) den Schulzwang ein, 
damit jedermann im Lesen, Schreiben, Rechnen und vor allem in 
der Religion unterrichtet sei, und rief Hunderte von Volksschulen 
ins Leben. 
Familie. Der König duldete nicht den geringsten Prunk in 
seiner Umgebung, keine Hoffeste, Gastmähler, überflüssige Diener- 
schaft, Schauspiele und andere Vergnügungen. Alle Einrichtungen 
am Hofe waren bürgerlich und fast dürftig. Dies war um so auf- 
fallender, als die übrigen Fürsten Europas das Wohlleben und die 
Verschwendung des französischen Königs (seit 1715 Ludwig XV.) 
eifrig nachahmten. Seine Erholung suchte Friedrich Wilhelm viel- 
mehr in dem woöchentlichen sehr einfach gearteten Tabaks- 
kollegium, einer Versammlung seiner Generale und Minister, 
die bei Tabak und Bier alle Ereignisse in Staat und Gesellschaft 
besprachen und dabei auch derbe Witze machten. Die Gemahlin des 
Königs war Sophie Dorothea von Hannobver, Tochter 
Georgs I. von England, eine feingebildete, edle Frau. Sie hoffte 
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