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80 Friedrich II. der Große.
Die erste Teilung Polens 1772. [Bund Preußens mit
Rußland. Zustände in Polen.] Friedrich war viel zu
vorsichtig, als daß er sich durch den Hubertusburger Frieden sicher
gefühlt hätte, er wußte, daß er seinen alten Feinden nicht trauen
durfte. Daher nahm er das Anerbieten Katharinas von
Rußland (1762—1796) zu gemeinsamem Vorgehen in Polen
freudig an 1). Dieses Reich hatte einen beträchtlichen Umfang; es
erstreckte sich fast von der Oder bis zum Dujepr und von der Ostsee
bis zu den Karpaten und zählte ungefähr 12 Millionen Einwohner.
Aber die inneren Zustände waren äußerst verworren. An der
Spitze stand ein König, der jedesmal vom Adel gewählt wurde und
so machtlos war, daß man nur von einer „Republik“ Polen sprach.
Denn die eigentliche Regierung übte eben der zahlreiche Adel
(½/12 der Bewohner) in den Reichstagen aus, in denen aber von
Ordnung und Vernunft keine Rede sein konnte, da jeder einzelne
Landbote (Abgeordnete) durch das liberum veto berechtigt war,
irgend einen Beschluß für ungültig zu erklären. Der wenig zahl-
reiche Bürgerstand (Deutsche und Juden) und der leibeigene
Bauernstand entbehrten aller staatlichen Rechte. Ebenso waren
die Dissidenten, d. h. Protestanten und nichtunierten Griechen),
seit dem Erbfolgekriege mit Schweden (8§ 20) rechtlos.
[Stanislaus Poniatowski König. Bürger-
krieg.] Gerade dieser Umstand diente der Kaiserin von Rußland
zum Vorwande, sich in die polnischen Verhältnisse zu mischen. Mit
Preußen im Bunde bewirkte sie, daß nach dem Tode Augusts III.
von Polen kein fremdländischer und kraftvoller Herrscher, sondern
ein einheimischer, möglichst unfähiger Edelmann den Thron bestieg:
Stanislaus Poniatowski, unter dessen Regierung (1764
bis 1795) die innere Schwäche noch zunehmen mußte. Diese Er-
wartung trat auch ein. Es bildeten sich polnische Verbindungen
(Konföderationen) für und gegen Rußland und für und gegen die
Gleichberechtigung der Dissidenten, die von Rußland und Preußen
gefordert wurde. Bürgerkrieg und völlige Auflösung der staatlichen
Ordnung waren die Folge.
1) Vgl. H. Jaenicke, „Die Geschichte Polens“ und „Bilder aus der
polnischen Geschichte“. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung.
2) Unierte Griechen sind solche griechischen Katholiken, die zwar die alte
Kirchenverfassung beibehalten haben, aber den Primat des Papstes anerkennen.
Diese Unierten zählten also nicht zu den Dissidenten.
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