Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Zweiter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte bis zum Tode Friedrichs des Großen. (2)

Friedrich II. der Große. 85 
so ist es doch geradezu erstaunlich, wie weit er in vielen wirtschaft— 
lichen Fragen seiner Zeit voraneilte, und wie er bis ins einzelne 
hierauf bezügliche Vorschriften zu geben wußte. Oft genug stieß 
er hierbei auf den heftigen Widerstand der wenig einsichtigen Be- 
völkerung, aber er setzte seinen Willen schließlich doch durch, um erst 
später den Dank und die Anerkennung der anfangs Widerstrebenden 
zu ernten. 
[Landwirtschaft.] Die Einwohnerzahl seines Staates 
war nach den großen Kriegen um ½ Million zurückgegangen, und 
60 000 Pferde fehlten für die Bewirtschaftung des Bodens. Da 
galt es denn mit Rat und Tat zu helfen, und Friedrich ließ es daran 
nicht fehlen. Er unterstützte die armen Bauern mit Saatgetreide, 
Pferden und Steuererlassen und regelte gegen Ende seiner Regie- 
rung die bäuerlichen Lasten, um der grundherrlichen Willkür zu 
steuern. Er förderte den Anbau einzelner Gewächse (z. B. 
Tabak, Wein, Maulbeerbäume, Kartoffel, Klee) und siedelte 
mindestens 300 000 nützliche Kolonisten aus Frankreich, Öster- 
reich und den deutschen Kleinstaaten an. Er machte das Oder--, 
Warte= und Netzebruch, zusammen gegen 300 000 Morgen, 
urbar, so daß er sagen konnte: „Hier habe ich eine Provinz im 
Frieden erobert!“ und er legte etwa 500 neue Dörfer an. Seine 
besondere Fürsorge galt den neu erworbenen polnischen Landesteilen, 
Westpreußen und dem Netzedistrikt, deren Bewohner in 
den erbarmungswürdigsten Zuständen lebten. Sie wohnten in 
schmutzigen Lehmhütten mit den Haustieren meist unter einem 
Dache und waren selbst völlig verroht. Freie Bürger und Bauern 
gab es hier nicht. Die Bewohner waren vielmehr meist Knechte, die 
von dem Adel des Landes hart und ungerecht behandelt wurden. 
Wieviel Sorge, Arbeit und Geld war da nötig, um diese verödeten 
Landesteile in den heutigen blühenden Zustand zu versetzen 1) ! 
[Gewerbe.] Manche Gewerbe entwickelten sich jetzt erst 
zu größerer Vollkommenheit: so die Linnenbereitung, der Bergbau 
und das Hüttenwesen in Schlesien, die Tuchweberei in der Mark, die 
Baumwollspinnerei und die Glas= und Metallbereitung; für die neue 
  
1) „Gerade die verrotteten Zustände des Landes waren reizvoll für den 
König, und Westpreußen wurde, wie bis dahin Schlesien, sein Lieblingskind, das 
er mit unendlicher Sorgfalt wie eine treue Mutter wusch, bürstete und neu 
kleidete, zu Schule und Ordnung zwang und immer im Auge behielt.“
	        
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