Friedrich Wilhelm II. 13
5. die Aufklärungsliteratur zahlreicher Schriftsteller
auf alle diese Mißstände aufmerksam gemacht, und durch ihre auf-
rührerische Sprache führte sie den Ausbruch der Revolution wesent-
lich herbei. Aber die Masse der Bevölkerung, auch vornehme Geist-
liche und Adlige, verlangte weniger nach vernünftigen Reformen,
als nach „Freiheit“, d. h. nach Umsturz alles Bestehenden in Staat,
Kirche, Erziehung und Gesellschaft. Sie hörte weniger auf Männer
wie Montesquien, der für eine konstitutionelle (eine durch
Volksvertretung eingeschränkte) Monarchie mit Trennung der drei
Gewalten, der gesetzgebenden, vollziehenden und richterlichen, ein-
trat, als vielmehr auf Voltaire, Rousseau und die Enzy-
klopädisteni) (Diderot, d'Alembert), die alle bisherigen
Leistungen des Staats und der Kirche verunglimpften, aber keine
neuen oder doch nur verderbliche Bahnen anzugeben vermochten.
[Letzte Veranlassungen zur Revolution.] Eine
starke Regierung hätte der Bewegung, die sich der Gemüter be-
mächtigt hatte, vielleicht noch Herr werden können, aber eine solche
war nicht vorhanden. Ludwig XVI., ein religiöser und gut-
mütiger, aber gleichgültiger, willensschwacher Herrscher ohne durch-
dringenden Verstand, vermochte seine eigenen Rechte und Interessen
nicht wahrzunehmen. Seine Gemahlin Marie Antoinette,
eine Tochter Maria Theresias, zwar geistig fähiger als der König,
aber ohne rechten Ernst, galt überdies, wenn auch mit Unrecht, für
eine habsburgische Spionin und genußsüchtige und leichtfertige
Frau, die in zahlreichen Schmähschriften verleumdet und in einen
abscheulichen Prozeß (die Halsbandgeschichte) verwickelt wurde.
Erst im Unglück zeigten beide, der König und die Königin, wahren.
Heldenmut. Zunächst aber trug ihre Lebensart nicht wenig dazu
bei, daß viele Untertanen Gegner der Monarchie wurden. Endlich
erregte noch der Abfall der englischen Kolonien in Nord-
amerika, die sich unter der Leitung von Georg Washington
luôsching'tn] und Benjamin Franklin und mit Unterstützung franzö-
sischer Truppen und Freiwilliger, z. B. des reichen Marquis de
Lafahyette, 1783 ihre Unabhängigkeit erkämpft hatten, nicht bloß eine
ungeheure Begeisterung, sondern auch den lebhaften Wunsch, eben-
falls den Kampf für die politische Freiheit aufzunehmen.
1) So genannt nach dem großen, alle Wissenschaften und Gewerbe be-
handelnden Realwörterbuche, der „Enzyklopädie“, die 1751—1772 erschien.