40 Friedrich Wilhelm III.
Bauern (erbliche Eigentümer und Erbzinsmänner) sofort, für die
dritte Klasse (Bauern ohne Privatrecht) vom Martinitag 1810 an
aufhören solle, jedoch so, daß die auf den Bauernstellen ruhenden
Verpflichtungen (Reallasten) gegen den Gutsherrn in Kraft
blieben. Um aber die Bauern zu völlig freien Eigentümern ihrer
Hofstellen zu machen, konnten diese Verpflichtungen abgelöst
werden, anfangs meist durch Abtretung eines Teiles ihres Ackers an
den Gutsherrn, später und zwar seit dem Gesetze vom 2. März 1850
hauptsächlich durch Vermittelung der vom Staate in jeder Provinz
eingerichteten Rentenbanken. Diese gaben nämlich dem Guts-
herrn anstatt der Ablösungssumme sogenannte Rentenbriefe (Wert-
papier), während sie vom Bauer eine entsprechende Jahresrente so
lange einzogen, bis die Befreiung vollendet war (in vielen Fällen
erst 1906). Welch bedeutende Wirkung das königliche Edikt hatte,
ersieht man daraus, daß damals ¾ der Gesamtbevölkerung Preußens
auf die eigenen Füße gestellt wurden.
2. Das Edikt vom 9. Oktober 1807 gestattete auch die Teil-
barkeit der Güter, ermöglichte den Bürgern und Bauern, adlige
Güter zu erwerben, und gestattete den Adligen, bürgerliche Ge-
werbe zu betreiben, so daß in dieser Beziehung die Scheidung
der Stände von Grund aus vernichtet wurde. Denn fortan ent-
schied nicht mehr die Geburt, sondern der Wunsch oder die Fähigkeit
des einzelnen über die Wahl des Berufs. Andere Bestimmungen
gewährten größere Gewerbe= und Handelsfreiheit und
verbesserten das Zunft= und Innungswesen, das durch
kleinliche Vorschriften den Fortschritt und die Blüte der einzelnen
Gewerbe bisher vielfach verhindert hatte.
3. Der Bürgerstand in den Städten, bisher ganz von dem
Willen der königlichen Bürgermeister abhängig und bevormundet und
daher gleichgültig, wurde durch die neue Städteordnung vom
19. November 1808 zu frischem Leben und Bürgersinn erweckt. Da-
nach wählten nämlich von jetzt an die Bürger aus ihrer Mitte die
Stadtverordneten und diese wieder den Magistrat
(Bürgermeister und Stadträte, Ratsherren oder Ratsmanneng:
jene haben mit dem Magistrat zusammen die gesetzgebende Gewalt
1) Das Wort real (vom lat. res = Sache, erst spät gebildet) bedeutet
sachlich, dinglich. Reallasten sind also Verpflichtungen zu Leistungen,
die an ein Grundstück (Sache) gebunden sind.