Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Dritter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart. (3)

92 Wilhelm J. 
einem Zukunftsstaate, den er nicht näher schildert, den vollen Er— 
trag der Arbeit, der ihnen jetzt von den Kapitalisten vorenthalten werde, 
ausgezahlt zu erhalten. Da aber die unüberbrückbare Kluft zwischen 
Kapitalisten und Arbeitern in allen Staaten dieselbe sei, müßten die 
Proletarier aller Länder ihre Kräfte vereinigen und mit ihrer un- 
widerstehlichen Macht die Herrschaft der Kapitalisten zertrümmern. 
Auf Marx' Betreiben kam in der Tat ein solcher sozialdemokratischer 
Weltverein, die (rote) Internationale, 1864 in London zu- 
stande. Er wuchs in den nächsten Jahren, in Deutschland besonders 
durch den Beitritt der Anhänger Lassalles, gewaltig an, gründete 
Streik= und Wahlkassen und verbreitete seine Gedanken in zahlreichen 
Zeitungen und Zeitschriften. 
[Anarchismus. Mordversuche auf Wilhelm I. 
Sozialistengesetz. Arbeitergesetze.] Seit der Mitte 
des 19. Jahrhunderts tat sich auch der Anarchismus auf, d. i. 
die Lehre von der Herrschaftslosigkeit. Die Anarchisten wollen im 
Gegensatze zu den Sozialdemokraten, die alles durch den Staat ge- 
ordnet wissen möchten, überhaupt keinen Staat, sondern eine Auf- 
lösung der Gesellschaft in möglichst kleine, völlig selbständige 
Menschengruppen oder sogar in Einzelwesen. Aber sie suchen die 
jetzige Gesellschaftsordnung mit Gewalt zu zerstören und be- 
gegnen sich darin mit den radikalsten Sozialdemokraten. Von solchen 
verruchten Gedanken erfüllt, erhoben 1878 nacheinander zwei 
Männer die verbrecherische Hand gegen das geheiligte Haupt 
Kaiser Wilhelms I., der in dem zweiten Falle durch Schrot- 
schüsse getroffen wurde und auch körperlich viel zu leiden hatte. Die 
nächste Folge dieser unseligen Taten war das Sozialistengesetz, 
das Vereine und Presse schärfer beaufsichtigte. Doch der Kaiser 
wollte, daß dem Unwesen der verirrten Arbeitermassen auch auf 
anderem Wege gesteuert wurde, auf dem Wege der Förderung 
des Wohles der Arbeiterzj:er sprach dies besonders in der be- 
rühmten Botschaft vom 17. November 1881 aus. So kam durch 
Übereinkunft mit Bundesrat und Reichstag 1883 das Kranken- 
versicherungsgesetz und 1884 das Unfallversiche- 
rungsgesetz zustande, Gesetze, die infolge ihrer wahrhaft groß- 
artigen Sorge um das Wohl der Arbeiter alle auswärtigen Staaten 
in Erstaunen setzten. 
Als am 9. März 1888 Kaiser Wilhelm I. durch einen sanften 
Tod aus seinem tatenreichen Leben abgerufen wurde, bis zum letzten
	        
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