Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Dritter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart. (3)

Wilhelm II. 95 
[Regierungsantritt.] Als Wilhelm am 25. Juni 1888 
den Reichstag eröffnete, versammelten sich um ihn auf Einladung 
des Großherzogs von Baden fast sämtliche regierende Könige 
und Fürsten des Reiches und huldigten ihm und dem deutschen 
Kaisertum in erhebender Weise. Seine Thronrede im Landtage 
am 27. Juni schloß mit den Worten: „In bewegter Zeit habe Ich 
die Pflichten des königlichen Amtes übernommen, aber Ich trete an 
die Mir nach Gottes Fügung gestellte Aufgabe mit der Zuversicht 
des Pflichtgefühls heran und halte Mir dabei das Wort des großen 
Friedrich gegenwärtig, daß in Preußen der König des Staates erster 
Diener ist.“ 
Wilhelms II. Regierung nach außen. [Erwerbungen: 
Orientfahrt; Chinafeldzug; Kriegsflotte; Luft- 
schiffe.] Wilhelm II. galt von vornherein bei Freund und Feind 
als ein kriegerischer Fürst. Erst allmählich brach sich die Über- 
zeugung von seiner durchaus friedlichen Gesinnung Bahn. Er 
unternahm zahlreiche Reisen zum Besuche fremder Höfe, pflegte mit 
ihnen unausgesetzt freundliche Beziehungen und vermied es offen- 
bar, das Deutsche Reich ohne Not in auswärtige Streitigkeiten zu 
verwickeln. Auf friedlichem Wege erwarb er 1890 Helgoland 
von England, 1897 die Kolonie Kiautschou von China, 1899 die 
Karolinen von Spanien und 1900 die Hauptinseln der 
Samoagruppe, die bisher von Deutschland, England und 
Amerika gemeinsam verwaltet worden war. Um das Ansehen der 
Deutschen im Orient zu erhöhen, ging er mit der Kaiserin 1898 
nach Jerusalem, wo er die evangelische Erlöserkirche einweihte und 
die Schutzherrschaft des Reiches über alle Deutschen im Auslande 
ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses verkündete, ein Recht, 
das bis dahin die Franzosen über die Katholiken des Orients für 
sich beansprucht hatten. 
An einer andern Stelle des Erdballs blieb aber dem Kaiser ein 
ernstes militärisches Einschreiten doch nicht erspart. Als nämlich 
1897 zwei deutsche katholische Missionare ermordet wurden und ein 
deutsches Geschwader deshalb Kiautschou besetzte, kam es unter den 
Chinesen zu einer nationalen Erhebung, die von dem „patriotischen 
Faustbunde“ oder wie die Engländer übersetzten, den Borern 
ausging. Der fremdenfeindliche Prinz Tuan riß 1900 alle Gewalt 
an sich, schnitt Peking von der Außenwelt ab und ließ die europäi-
	        
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