Full text: Die deutsche und die brandenburgisch-preußische Geschichte. Dritter Teil: Preußisch-deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs des Großen bis zur Gegenwart. (3)

Wilhelm II. 99 
wegen seiner überlegenen Machtstellung in der Welt unwillkürlich 
haßte und außerdem Osterreich-Ungarn zu demütigen hoffte. Denn 
diese Doppelmonarchie versperrte ihm den Weg zu dem schon lange 
erstrebten Besitz Konstantinopels und der Dardanellen. Die Staaten 
des Dreiverbands hatten sich also in Haß, Neid und Mißgunst zu— 
sammengefunden und für etwa 1916 einen gemeinsamen Überfall auf 
die beiden Großmächte Mitteleuropas vereinbart. Da trat aber ein 
Ereignis ein, das sie zu früherem Losschlagen nötigte. 
Veranlassung. [Der Fürstenmord in Serbien.] Ser- 
bien hatte sich nämlich durch zwei voraufgegangene Balkankriege 
beträchtlich vergrößert und war dadurch so übermütig geworden, daß 
es bereits von einem Großserbischen Reiche träumte, wie es schon 
einmal im Mittelalter bestanden hatte. Es suchte namentlich 
Bosnien und die Herzegowina von Österreich loszureißen und zettelte 
daher in diesen Landschaften unaufhörlich geheime Verschwörungen 
an. Als nun gar ein serbischer Mordgeselle mit Vorwissen seiner 
Regierung so weit ging, den österreichisch-ungarischen Thronfolger 
Franz Ferdinand und dessen Gemahlin bei einem Manöver 
in Serajewo (28. 6. 14) meuchlings zu erschießen, da forderte end- 
lich Osterreich in ernstem Tone gründliche Abstellung der verbreche- 
rischen Umtriebe. Die Antwort Serbiens fiel aber hierauf so un- 
genügend aus, daß Österreich-Ungarn in vollem Einverständnis mit 
Deutschland (28. 7. 14) den Krieg erklärte. Um diesen auf die 
beiden beteiligten Staaten zu beschränken, versicherte Kaiser Franz 
Joseph dem Zaren ausdrücklich, daß sich seine Regierung in keiner 
Weise an Serbien bereichern wolle. Trotzdem erklärte Rußland, daß 
es bei dem serbisch-österreichischen Streite unmöglich gleichgültig 
bleiben könne. Es ergriff also für das Land der Meuchelmörder 
Partei und brachte damit den Stein ins Rollen. Denn die ver- 
mittelnde Tätigkeit des englischen Ministers des Auswärtigen 
Eduard Grey lgre#)1) und die Depeschen der russischen und eng- 
lischen Monarchen Nikolaus II. und Georg V., die unsern Kaiser 
  
1) Bezeichnend für das Wesen Greys ist der Mordversuch, den er mit 
Hilfe des britischen Gesandten Findlay gegen den Führer der Iren, 
Casement, machte. Dieser war mit der deutschen Regierung in Verbindung 
getreten und hatte seine Landsleute über die wohlwollende Gesinnung Deutsch- 
lands gegen Irland aufgeklärt. Grey fürchtete nämlich den Abfall Irlands 
von England. 
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