Full text: Allgemeine Staatslehre

474 Drittes Buch. Allgemeine Staatsrechtsliehre. 
dann, wie in so manchem anderen Punkte, Gerber gewiesen, 
indem er erklärt, daß Souveränetät nicht selbst Staatsgewalt 
sei, sondern nur eine Eigenschaft der vollkommenen Staats- 
gewalt bezeichne, und hinzufügt: „Die Ausdrücke ‚Fürstensouve- 
ränetät, Volkssouveränetät, Nationalsouvernetät‘ sind nur Stich- 
worte für verschiedene politische Bestrebungen. Mit dem Begriffe 
des Monarchenrechts im engeren Sinne steht der Begriff der 
Souveränetät in gar keiner Relation; und doch wird Souveränetät 
und monarchisches Prinzip so oft verwechselt‘). 
Mit dieser Erkenntnis ist gegenüber dem erdrückenden 
Phrasenschwalle, der sich in der neueren politischen und juristi- 
schen Literatur hinsichtlich der Souveränetät breitgemacht hat 
und zum Teil noch breit macht?), der feste und sichere Grund 
für die Erfassung des rechtlichen Wesens der Souveränetät gelegt. 
9. Das Wesen der Souveränetät. 
Der Überblick über die Geschichte des Souveränetätsbegriffes 
ergibt eine Anzahl wichtiger Folgerungen). 
Zuvörderst, daß die Versuche, den Souveränetätsbegriff aus 
denı öffentlichen Recht zu eliminieren ®), unhistorisch sind. Die 
ganze geschichtliche Entwicklung des modernen Staates aus dem 
mittelalterlichen ist mit der fortschreitenden Erkenntnis der 
Souveränetät innig verknüpft gewesen. Es geht nicht an, diese 
Entwicklung und ihre Resultate zugunsten irgendwelcher Kon- 
struktion beiseitezuschieben. 
Sodann die Erkenntnis der Irrtümer der Souveränetätslehre: 
die Gleichstellung der Organsouveränetät mit der Staatssouve- 
ränetät und der Ausfüllung des negativen Souveränetätsbegriffes 
‚mit dem positiven Inhalt der Staatsgewalt5). Diese Irrtümer 
1) Grundzüge S.22 N.5. 
®) Besonders in der der romanischen Völker. Vgl. z.B. die Samm- 
lung von Definitionen bei Combothecra La conception juridique de 
l’Etat 1899 p. 92£.,, namentlich die von Saint Girons und Orlando, 
ferner Moreau Precis elömentaire de droit constitutionnel 3.&d. 1897 
p.9: „La souverainet& externe est l’affirmation de l’existence propre et 
autonome de l’Etat au regard des autres Etats; la souverainet& interne 
est l’affirmation de l’ötre collectif au regard des particuliers.“ 
3) Vgl. auch meine Lehre von den Staatenverbindungen S. 16 ff. 
4) Preuß Gemeinde S.92ff.; Affolter Allg. Staatsrecht S.11; 
Kliemke Die staatsrechtliche Natur und Stellung des Bundesrats 1894 
S.28 N. 2. 
5) Rehm, Staatslehre S.63, will den Gebrauch des Wortes Sourve- 
 
	        
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