Full text: Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge.

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Ehr.). Der Tote holt einen aus der Familie nach, wenn er sich sehr 
ähnlich bleibt (v.), ein freundliches Gesicht macht (Schl., J., Gey., Say. 
298), rote Lippen (A., H.), weiche Hände behält (A. 298), die Finger- 
spitzen blau werden (Gey.). All diese Ansichten wurzeln im Seelen- 
glauben; denn man glaubt, daß sich die Seele, solange die Leiche 
noch nicht unter die Erde ist, „noch in der Nähe ihres Körpers befinde 
und den Zurückbleibenden einen Blick in ihre eigene Zukunft gewährt"“ 
(Mo.2, 297). In Verbindung mit dieser Vorstellung und dem Seelen- 
kultus wurde ja auch die Beraubung eines toten Menschen, der Leichen- 
raub, als Verbrechen gegen die Religion angesehen und galt als Nei- 
dingswerk. 
Die Einkehr des Todes in der Verwandtschaft oder den 
Tod eines in der Ferne weilenden Familiengliedes kündet ein blühendes 
Myrtenbäumchen (A.), — der Schenkgeber stirbt (Ge.) —, das Rotbleiben 
der Lippen eines Verstorbenen (Ham., Ri.), der Fund eines Flors 
(A.), ein unerklärlicher Schall durchs Haus (Ehr., B., Gr. 3207), das 
Auffahren einer Tür (Gey. 29775), ein plötzlicher Lichtschein in der 
Kammer (Kö. 3207), das plötzliche Stehenbleiben der Uhr am h.Abend (A., 
Mau., W., Ge., Ein. 3207)“ zu anderer Zeit um 12 (Fr.) oder überhaupt 
(H. 320), und zwar stirbt der, an den in diesem Augenblicke gedacht wird 
(N.), oder ein Verwandter väterlicherseits (H.); ferner das Schlagen einer 
solchen, wo keine ist (H., Ri.), das Klirren einer Säge oder einer Fenster- 
scheibe (M., Ne., Cr. 297*), dreimaliges Anklopfen an eine solche (A.), das 
Geräusch, als ob jemand über die Stube ginge (Gd., Ar., St.), die Be- 
gegnung mit einem Kranzträger, dem man links auszuweichen gezwungen 
ist (A., Gey.), das unbewußte Liegenlassen eines Kranzes im Trauerhause 
(Schl.); ebenso, wenn es einen an den Augenbrauen zupft (Cr.), die 
große Glocke beim Begräbnislauten nachschlägt (Th.). Das Herunterfallen 
eines unberührten Gegenstandes kündet Tod in der Verwandtschaft der 
Mutter (H.). Einem Freunde stirbt der Freund nach, wenn jenen an 
einem Sonntag der Tod ereilte (A., Ehr.). 
Die Einkehr des Todes in der Gemeinde. Binnen Jahres- 
frist sterben aus einer Häuserreihe (Ma., A. 3007), in einer Verwandt- 
schaft immer drei (Ne., A., Mau.); aus einem Hause, wenn darin am 
Neujahrstag jemand stirbt (A). Es werden so viele Ehepaare durch 
Tod getrennt, als noch Tage von der ersten Leiche ab im Januar übrig 
sind (Ehr.). Aus dem Orte werden so viele Leichen hinausgetragen, als 
Fuder Mist auf die Acker kommen (Nd). Die Zahl der Sonntags 
Beerdigten gibt die Zahl der Toten der folgenden Woche an (Gey.). 
Ist der erste Tote im Jahr ein Mann, so sterben mehr Männer als 
Frauen und umgekehrt (Ma., Kl.). Gehen die Teilnehmer an einem 
Leichenzuge in großen Abständen, kommt einem Leichenzuge mit einem 
Erwachsenen ein ein= oder zweispänniges Geschirr entgegen, so stirbt 
ein Ehepaar auseinander (A., Mau., Ob., Cr., J., Ri., H., M., Di. 2987), 
ist es ein einspänniges Geschirr, eine ledige Person oder ein Kind (Ehr., 
Gey., A.). Kreuzen sich zwei zweispännige Geschirre neben dem Leichen- 
zuge (Kö.), kommt ein Gefährt mit vorgespannten Schimmeln des Weges
	        
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