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er ausstreuen will, je einige Körnchen am Karfreitag mit in die Kirche
und streut den so gesegneten Samen in die Ecken seiner Felder (Nd.),
fängt deshalb in der Mitte des Feldes zu säen an (Ne.).
Es gibt aber auch Leute, die am Johannistage an den vier
Ecken eines Feldes je einige Ähren abschneiden, wodurch der Ertrag
größer wird zum Nachteil eines anderen. Auch diese nennt man Bilm-
schnitter (Schl.).
Ein ähnliches Tun schreibt man den Hexen zu. Am Johannis-
tage halten sie „Lese“ auf dem Felde, ihre Spur heißt der „Hexenschnitt“.
Sie vergrößert den Ertrag. Gleich dem Bilmetschnitter schneiden auch
sie die Triebe der Vogelbeersträucher ab (H.).
IX. Die Tiere, Wstanzen, Gestirne und Naturerscheinungen
im Volksglauben.
Die Ciere. (Vgl. hierzu M. 209 ff.)
Ein echt germanischer Zug ist das freundliche Verhältnis zum Tier.
Die Haustiere gelten als ein Teil der deutschen Häuslichkeit, sie haben
Anteil an dem Wohl und Wehe des Hauses, in dem sie leben. Man
kündet ihnen den Tod des Hausherrn (Seite 121), gedenkt ihrer in
einer besonderen Leckermahlzeit an hohen Festtagen (Seite 162), sie
unterhalten sich in der Christnacht über kommendes Glück und Unglück
des Hauses (Seite 153).
Die Sorge für den Schutz und das Wohlergehen der Haustiere
erstreckt sich übers ganze Jahr. All diese Züge finden ihre Erklärung
darin, daß das Volk noch an dem Glauben festhält, daß jedes Tier eine
Seele habe, die man persönlich auffaßt.
„Glück im Stall!“ muß jeder sagen beim Betreten eines fremden
Stalles (v. 692). Lobt man ein Tier, so darf man nicht den Zusatz
„Behüts Gott!“ vergessen. Neuangekaufte Tiere läßt man beim ersten
Eintritt in den Stall über einen benutzten Stubenbesen (Ma., Gey.)
oder den Stallschlüssel gehen (Dr., Schö.). Es sollen nie dreizehn sein,
sonst stirbt eins von ihnen (Ne.). Wird ein Kalb verkauft, so zieht
man es rückwärts aus dem Stall (v. 699) und hängt seinen Strick der
Mutter zur Tröstung um den Hals oder die Hörner (Dr., N., B., Wa.,
Fr., Nied.). Einer zur Zucht verkauften Kuh gibt man den Strick oder
Stroh mit, damit sie kein Heimweh bekomme (Ehr.). Dasselbe gilt beim
Schwein (Ne.). Man behält einige Stirnhaare des Tieres zurück, sie sind
glückbringend (Kl. 6727 6995). Den Erlös für das Tier nimmt man gern
im Stalle in Empfang (Or.). Wird das Schwanzgeld des verkauften
Schweines zum Ankauf eines neuen verwendet, so wird dieses um so
fetter (M., Kö., A.). Ein verkauftes Tier darf sein früherer Besitzer
nicht wieder angreifen, sonst magert es ab (Ge.). Dazu erzählt man
sich in Ge.: Alle Tiere, die ein gewisser Viehhändler verkaufte, starben