Full text: Kriegserklärung und Friedensschluß nach deutschem Staats- und Völkerrecht.

Kriegserklärung nach deutschem Völkerrecht. 107 
stehen eines solchen Vertrages eine Verpflichtung zur Kriegs- 
erklärung an den Bundesgenossen des Gegners für den An— 
greifer nicht gefolgert werden. Dies würde auch eine politische 
Unklugheit für ihn sein, da er nicht wissen kann, ob der Bun— 
desgenosse die Waffen gegen ihn ergreifen wird. Man wird viel— 
mehr, falls der Verbündete dem Kriege beizutreten gedenkt, 
von diesem eine schriftliche Anzeige sowohl an seinen Ver- 
bündeten, als insbesondere an dessen Gegner verlangen müssen. 
Eine solche Anzeige ist gerechtfertigt aus demselben Grunde, der 
zur Einführung der Kriegserklärung geführt hat: „Damit der 
Friedenszustand nicht durch Gewalttaten, d. h. auf eine recht- 
lich unzulässige Weise unterbrochen wird. 1)2) Wenn er so- 
fort bei Eröffnung der Feindseligkeiten in den Krieg eintritt, 
muß die Anzeige gleich auf die Kriegserklärung hin erfolgen, 
sonst zu der Zeit, wo er entsprechend seinen Vertragsbedingungen 
dem Kriege beizutreten beabsichtigt.-) 
b. Im entgegengesetzten Falle, wo der angreifende Staat 
einen oder mehrere Bundesgenossen hat, wird es gleichfalls 
Sache des Verbündeten sein, eine besondere Erklärung an den 
Gegner abzugeben, daß der casus foederis für ihn eingetreten 
sei, und er sich deshalb als im Kriege mit ihm, dem Gegner 
seines Verbündeten befindlich betrachte. Eine offizielle Kriegs- 
erklärung wird man wohl nicht von dem Verbündeten verlangen 
können. Es wird genügen, wenn aus seiner Anzeige deutlich 
Abkommen eine aggressive Tendenz nach keiner Richtung jemals beilegen wollen, ist 
der casus koeckerls dann gegeben, wenn „wider Verhoffen und gegen den Wunsch 
der beiden hohen Kontrahenten eines der beiden Reiche von Seiten Rußlands an- 
gegriffen werden“ sollte. Es würde m. E. hier nicht angehen, das Wort „Angriff“ 
als gleichbedentend mit „Anlaß zum Angreifen geben“ anzusehen. Vielmehr ist die 
oben gegebene Bedeutung von Angriff und Verteidigung auch hier zu Grunde zu 
legen. 
a 1) Will der in den Krieg eintretende Staat die Stellungnahme des Bundes- 
genossen seines Gegners erfahren, so mag er eine direkte Anfrage an ihn richten, 
ob jener die Neutralität aufrecht erhalten will oder nicht. So auch Heffter, 
§ 117; anderer Ansicht Lueder a. a. O. § 63 S. 251. 
2) Vgl. H. Grotius l. Ulc III 8 10. — Geht der Bundesgenosse dazu 
über, seinen Verbündeten in einer der Neutralität widersprechenden Weise zu unter- 
stützen, ohne direkt am Kriege teilzunehmen, so wird dieser Fall, wie jeder andere 
Fall der Neutralitätsverletzung, zuerst auf friedliche Weise zu erledigen versucht 
werden müssen. 
5) Ebenso v. Mohl, Enzykl. S. 464. 
 
	        
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