Kriegserklärung nach deutschem Völkerrecht. 111
Rußland und Frankreich die Konvention ratifiziert. 1) Nicht
vertreten waren Marokko, 2) Abessynien, Afghanistan, Liberia,
also zum Teil halbsouveräne, zum Teil weniger zivilisierte
Staaten Diesen gegenüber besteht für die Verträgsmächte, wie
sich aus dem angeführten Art. 3 der Konvention klar ergibt,
keine Pflicht zur Kriegserklärung.
Doch sieht das „Abkommen über den Beginn der Feind-
seligkeiten“ den Beitritt von Staaten gemäß Art. 5 vor:)
„Die Mächte, die nicht unterzeichnet haben, können diesem Ab-
kommen später beitreten.“ Wie dieser Beitritt erfolgt, ist in
Abs. 2 und 3 näher bestimmt. Voraussetzung für den Beitritt
ist aber, daß es sich um eine „Macht“, um einen Staat im völker-
rechtlichen Sinne handelt. Ausgeschlossen ist daher ein Gemein-
wesen, das nicht den zur Existenz eines Staates erforderlichen
Bedingungen entspricht,") oder das Reine Garantie für die
Befolgung der völkerrechtlichen Normen bietet, so daß seine
Aufnahme in die Konventionsgemeinschaft noch nicht erfolgen
kann; 5) denn „die internationalen Beziehungen wurzeln in
der Idee der Gemeinschaft, welche ohne tiefe, die Völker ver-
bindendc Solidarität der Interessen, ohne Gemeinsamkeit der
Bestrebungen ganz undenkbbar ist.““)) Erst die Aufnahme in
diese Gemeinschaft gibt einem Gemeinwesen den Namen „Macht“
im Sinne der Konvention.
Der Beitritt als solcher vollzieht sich in der üblichen Form:
„Die Macht, die beizutreten wünscht, hat ihre Absicht der Re-
1) Vgl. Peichsgesebl. 1910 S. 375, 382, 457, 673, 913, 992, 1092,
1105; 1911 S. 193.
2) Gegen dessen Einladung Frankreich Widerspruch erhoben hatte.
8) Die Bestimmungen in Art. 5—8 der Konvention über den Beitritt bezw.
Austritt von Staaten kehren regelmäßig in den im Haag vereinbarten Konventionen
des Kriegsrechtes wieder. — Bereits auf der ersten Haager Konserenz 1899 ist über
den Beitritt der nicht vertretenen Staaten hestig disputiert worden.
4) Wie Nippold in Zeitschrist f. Völkerrecht a. a. O. ausführt, genügt
das Vorhandensein eines „Slaates“- im Rechtssinne zur Anerkennung als Mitglied
der Völkerrechtsgemeinschaft. „Ein nicht zivilisterter Staat ist eben kein Staat im
Rechtssinne und kann daher auch nicht Völkerrechtssubjekt, nicht Mitglied der
Völkerrechtsgemeinschaft sein“. Vgl. hierzu auch K. v. Stengel in „Marine=
Rundschau“ 1905 S. 286. Aehnlich N11 S. 116 ff.
5) Vgl. Rippold a. a. O. S. 453.
8) v. Martens (Bergbohm) I S. 181.