1. Kapitel: Kriegserklärung nach deutschem Staatsrecht. 19
in allen Fällen mit dem des Staates. So ist z. B. nach der
preußischen Verfassung der König in der Gesetzgebung beschränkt
durch die Mitwirkung der Volksvertretung (Art. 62,1 preuß.
Verf. Urk.), und im Reich ist die übereinstimmende Mitwirkung
von Bundesrat und Reichstag zu einem Gesetz erforderlich und
genügend (Art. 5 Abs. 1 R. V.), während der Kaiser an der
Gesetzgebung, wenigstens an der Willensbildung nicht beteiligt
ist (Art. 17 R. V.).
Daß dieser von den verfassungsmäßigen Organen gebildete
Wille des Staates nur ein einheitlicher sein kann, geht deut-
lich aus den Verfassungsvorschriften hervor. So sagt beispiels-
weise Art. 62 Abs. 2 preuß. Verf. Urk.: „Die Uebereinstimmung
des Könige und beider Kammern ist zu jedem Gesetz erforderlich.“
Aehnlich die R V. in Art. 5,1 S. 2: „Die Uebereinstimmung der
Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen (des Bundesrats und
des Reichstags) ist zu einem Reichsgesetz erforderlich und aus-
reichend“.
Ebenso wie bei dem Gesetzgebungsakte muß man auch bei
den übrigen Willensäußerungen des Staates, bei Staatsver-
trägen und dem einseitigen Willensaht der Kriegserklärung
zwischen der Willensbildung, an der die verfassungsmäßig be-
rusenen Organe mitzuwirken haben — so bei der Kriegserklä-
rung nach Art. 11 Abs. 2 teils der Kaiser allein, teils Kaiser
und Bundesrat gemeinschaftlich — und der Erklärung dieses
Willens an den fremden Staat unterscheiden.
Fehlt es an einem Erfordernis der Willensbildung — z. B.
bei Staatsverträgen nach Art. 11 Abs. 3 an der erforderlichen
Zustimmung des Bundesrats oder der Genehmigung des Reichs-
tages —, so stellt sich die trotz4ddem vom Kaiser dem fremden
Staate übermittelte Willensäußerung nicht als solche des Reiches
dar und ist deshalb null und nichtig. 1) „Der Wille des Kaisers
muß die Zustimmung dieser Faktoren in sich aufnehmen, um
sich als vollgültiger Reichswille darzustellen.“2)
Dies mag zur vorläufigen Orientierung genügen. Im Fol-
genden soll zunächst die Kriegserklärung in ihrer Bedeutung
1) Die hier vertretene Ansicht, die in der Literatur zum Teil unterstützt, zum
Teil heftig bekämpft wird, wird weiter unten näher begründet werden.
2:) H. Schulze, II S. 325.
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