1. Kapitel: Kriegserklärung nach deutschem Staatsrecht. 29
gewalt, 1) so ergibt sich, daß der Kaiser bei Ausübung der-
selben denjenigen Beschränkungen unterworfen ist, welche sich
aus der Reichsverfassung — z. B. bezüglich des Kriegsrechts
gemäß Art. 11 Abs. 2 R. V. — und aus Reichsgesetzen er-
geben, es sei denn, daß diese besondere Abweichungen normiert
hätten. De nun das Kriegsrecht nicht ein Recht der sogen.
Schutzgewalt, sondern ein solches der allgemeinen Reichsgewalt
ist, so ist auch nicht einzusehen, warum der Kaiser in Ausübung
dieses Rechtes anders gestellt sein sollte, wenn er dasselbe in
Bezug auf die Schutzgebiete ausübt.,)
Dagegen kann der Kaiser gegen Angriffe auf Schutzgebiete
von Seiten eines Gegners, der nicht als kriegführende Macht
anerkannt ist, auf Grund der ihm zustehenden Schutzgewalt die er-
forderlichen Gegenmaßregeln zur Unterwerfung des Aufstandes
anordnen, da diese sich als bloße Verwaltungsmaßregeln dar-
stellen.s)
Zum Bundesgebiet im obigen Sinne gehören endlich noch
die deutschen Kriegsschiffe und Staatsluftschiffe, da sie als
„schwimmende Gebietsteile“ des Reiches zu betrachten sind, so
daß auch bei einem Angriff auf diese die Zustimmung des Bun-
desrates nicht erforderlich erscheint.")
In besonderen, von der Verfassung nicht erwähnten Fällen
hat der Kaiser endlich noch selbständiges Eutscheidungsrecht, näm-
lich bei Anordnung von Repressalien und Verhängung von
Blockaden. Da diese einfachen, zum Teil nicht kriegerischen
Zwangsmittel im Staatenverkehr Anwendung finden und durch
die Praxis anerkannt sind, so ist zweifellos der Kaiser Kraft
seiner völkerrechtlichen Vertretungsbefugnis des Reiches gemäß
Art. 11 zu ihrer Ausübung berechtigt. Einer Zustimmung von
Bundesral und Reichstag bedarf es also hier nicht5) Diese
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1) Vgl. Zorn, Staatsrecht 1 S. 573; ähnlich jetzt Laband, II S. 273.
2) Vgl. v. Stengel ad. a. O. S. 838.
3) Vgl. v. Hoffmann, Deutsches Kolonialrecht S. 22.
4) Behling, S. 75, will die deutschen Schisse als Teile der Küsten des
Reiches behandeln und so Art. 11 Abs. 2 entsprechend auf sie anwenden. Dies ist
unrichug. Ein deutsches Kriegsschiff wird nicht etwa dadurch, daß es vor der deut-
schen Kolonialküste liegt, Kolonialgebietsteil.
5) Agl. v. Rönne, Staatsrecht II S. 304 ff.; v. Mohl, Reichsstaatsrecht
S. 309 ff.