34 1. Tl. Kriegserklärung u. Friedensschluß n. deutsch. Staatsrecht.
überstimmt, so fragt es sich: Kann der Kaiser doch aus eigener
Macht mit Wirkung für das Reich eine völkerrechtlich gültige,
d. h. das Reich gegenüber den anderen Staaten verpflichtende
Kriegserklärung abgeben? mit anderen Worten: Hat die in
Art. 11 Abs. 2 aufgestellte Mitwirkung des Bundesrats ledig-
lich eine interne Bedeutung, so daß die erfolgte Kriegserklärung
ohne Zustimmung desselben doch „völkerrechtlich“, d. h. den
anderen Staaten gegenüber gültig und nur „staatsrechtlich“ 1)
unwirksan ist, oder beschränkt dieselbe zugleich auch die völker-
rechtliche Legitimation des Kaisers, so daß die ohne die er-
forderliche Zustimmung des Bundesrates abgegebene Kriegs-
erklärung desselben auch nach außen hin ungültig ist?
Hierüber bestehen in der Literatur dieselben Meinungsver-
schiedenheiten wie hinsichtlich der „völkerrechtlichen“ oder
„staatsrechtlichen" Gültigkeit der vom Kaiser ohne Mitwirkung
des Bundesrates abgeschlossenen Staatsverträge gemäß Abs. 3
Art. 11.
Die Beschränkung der völkerrechtlichen Legitimation des
Kaisers behauptet speziell für den Fall der Kriegserklärung
Proebst E. 294 ff., ihm folgen einige andere.
Die entgegengesetzte Ansicht vertreten Laband eingehend
in der 1. Aufl. II. S. 170 ff., in der 4. Aufl. II. S. 131,
jedoch ohne eine Begründung zu geben; Heilborn (System
S. 164):; Anschütz (Staatsrecht S. 519); Arndt (Staatsrecht
S. 704). Als Vertreter der Theorie von der sogen. unbedingten
völkerrechtlichen Wirksamkeit behaupten sie, es könne nicht
fraglich sein, daß der Krieg erklärt ist, wenn der Kaiser ihn
erklärt hat und zwar auch dann, wenn der Kaiser in einem
Falle, wo er zur Kriegserklärung die Zustimmung des Bundes-
rates nötig hätte, den Krieg ohne diese Zustimmung erklärte.
Zur Begründung dieser Ansicht machen sie sowohl formelle wie
materielle Gründe geltend.
a) Formell folge die unbeschränkte Legitimationsbefugnis
des Kaisers daraus, daß Art. 11 Abs. 1 dem Kaiser das Recht
1) In der Literatur wird noch überwiegend Völkerrecht im Gegensatz zu
Staatsrecht als ein über oder zwischenstaatliches Recht definiert, aber nach der im
Text (oben S. 1 Anm. 2; S. 31) niedergelegten Definition vom Bölkerrecht mit
Unrecht. Ebenso unzutreffend sind die Ausdrücke „völkerrechtlich“, „staatsrechtlich“,
aber der Kürze halber beibehalten und als Stichworte kenntlich gemacht worden.