1. Kapitel: Kriegserklärung nach deutschem Staatsrecht. 39
sein. Trotzdem haben die französischen Verfassungen nach ei-
nigen Schwankungen den Grundsatz ausgenommen, daß der
Krieg nicht ohne Zustimmung des Parlaments erklärt werden
kann. Art. 9 der Verf. von 1875 bestimmt nämlich: „Le
président de la République net peut déclarer la guerre sans
I’assentiment préalable des deux chambres.“
3) Gegen Labands Ansicht, das Zustimmungsrecht des
Bundesrats in Art. 11 Abs. 3 enthalte nur eine „staatsrecht-
liche“ Beschränkung, spricht endlich auch der Umstand, daß der
Bundesrat, sowie der Reichstag bereits eine indirehte Ein-
wirkung auf die Kriegführung durch ihr Bewilligungsrecht der
erforderlichen Geldmittel besaßen. 1) Wozu nun die neue Be-
stimmung, wenn sie ebenso wie das Bewilligungsrecht nur eine
indirekte, d. h. „innerstaatliche“ Beschränkung enthielte und
nicht die „völkerrechtliche“ Voraussetzung für die Gültigkeit der
Kriegserklärung darstellte. ?) Daß man durch den Abs. 2 auch
nicht etwas Ueberflüssiges festgestellt hat, geht schon daraus her-
vor, daß diese Bestimmung bezüglich der Kriegserklärung erst
nachträglich (vgl. oben S. 21 ff.) in die Verfassung ausgenommen
wurde.
Wenn wir so bei der Darlegung unseres Standpunktes einer-
seits Labands Ansicht von der bloß innerstaatlichen Wirk-
samkeit des Zustimmungsrechtes des Bundesrates nicht billigen
Rönnen, müssen wir andererseits jene Ansicht als zu weit gehend
zurückweisen, die die Mitwirkung des Bundesrates (wie bei
Staatsverträgen, so auch analog bei der Kriegserklärung) als
unmittelbare Teilnahme an der Abgabe der Willenserklärung
auffaßt, denn diese Auffassung steht im Widerspruch mit dem
im § 3 erörterten Satz, daß der Kaiser das alleinige völkerrecht-
liche Vertretungsorgan des Reiches ist.?5)
Während somit nach der Reichsverfassung der Kaiser in
allen Fällen, der Bundesrat zwar prinzipiell, aber nur in den
oben näher umgrenzten Fällen eines vom Reiche geführten
Angriffskrieges, mithin nur in beschränktem Umfang bei der
1) Vgl. o. Mohl, N. St. R. S. 312.
2) Bgl. Proebst, S. 295 ff.
8) Begründer dieser Theorie ist E. Meier. Die Anhänger derselben sind
bei Laband lU. S. 131 ausgezählt. Vgl. unten S. 49 ff.