2. Kapitel: Friedensschluß nach deutschem Staatsrecht. 51
Staatsvertrag und Gesetz sind eben identisch. Wo kein Gesetz
zustande gekommen ist, ist auch Kein Staatsvertrag zustande ge-
kommen.“1)
3. In der Mitte zwischen den beiden bisher charakterisierten
Theorien steht eine dritte, die vom bedingten Vertragsab-
schluß. 2) Diese Theorie kennzeichnet sich kurz dadurch, daß
die vom Staatsoberhaupt abgegebenen Vertragserklärungen,
welche zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der gesetzgebenden
Organe bedürfen und ohne diese Zustimmung abgegeben werden,
entweder nur bedingt gültig, was Unger annmimmt, oder for-
mell unbedingt gültig, aber bedingt wirksam sind.-)
Diese Theorie beruht, wie Tezner!)) richtig hervorhebt,
auf einer Verkennung des Wesens der Willensbildung eines
Staates.
4. Richtig ist m. E. im wesentlichen die Theorie vom par-
lamentarischen Abschluß. Gestützt auf diese will ich im Folgenden
ganz kurz eine Lösung der eingangs dieses Paragraphen aufge-
stellten Frage über die rechtliche Natur der Mitwirkung der
hier in Frage kommenden Organe zu geben versuchen. Ich
gehe dabei aus von dem im § 4 erörterten Wesen der organi-
schen Willensbildung. 5)
Wie Gesetze, gebildet durch die gesetzgebenden Faktoren,
der Ausdruck des Staatswillens sind, so stellen auch die zu
Staatsverträgen erforderlichen Willenserklärungen sich als solche
der am Vertrag beteiligten Staaten dar. Wodurch unterscheidet
sich nun Gesetz von Vertrag? Ist der Satz E. Meier's richtig:
1) S. 110.
2) Ihre Hauptvertreter sind Unger einerseits, Jellinek, Seligmann
und Proebst andererseits.
#) S. im einzelnen hierzu Unger, Ueber die Gültigkeit von Staatsverträgen
in Zeitschrist für dan private und ösfentliche Recht der Gegenwart, Bd. VI 1879
S. 349 ff.; Jellinek, Gesetz und Verordnung 1887 S. 342 ff.; Seligmann
S. 191 ff.
4) In Grünhuts Zeltschrift für das private und öffentliche Recht, Bd. XX
S. 172 — er sagt: Die ohne Zustimmung des Parlamentes abgegebenen Willens-
erklärungen sind in allen Fällen, in denen ihre Zustimmung verfassungsmäßig er-
sorderlich ist, unbedingt nichtig, weil sie eben keine Willenserklärungen des Staates
sind. „Der Effekt ist derselbe, als wenn sie gar nicht abgegeben worden seien.“
Man kann deshalb auch nicht von einem bedingt oder relativ wirlsamen Gesetz oder
Vertrag sprechen. 5) S. oben S. 17 ff.
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